Nachfolge ist zuerst ein Beziehungs-, ein Herzgeschehen. Aber Christusnachfolge würde steril, würde sie nur dabei stehen bleiben. Sie muss sich dann auch in relevantes Handeln für Menschen und Erde umsetzen. Und das geht alle Christinnen und Christen an – immer.
Christusnachfolge
Text: Martina Patenge – Photo: Bru-nO/Pixabay.com
Unter „Glauben“ wird oft verstanden: die Zugehörigkeit zu einer verfassten Kirche, Teilnahme an kultischen Veranstaltungen wie Gottesdiensten und Empfang der Sakramente, sowie die Anerkennung von Regeln und Geboten.
Das ist nicht falsch, aber nur die äußerliche Dimension. Das alles kann ich tun, ohne innerlich mit Gott verbunden zu sein. So ist beispielsweise bei Taufe, Erstkommunion, Firmung und Ehe allen pastoralen Verantwortlichen klar, dass diese Sakramente auch von Menschen empfangen werden, deren persönlicher Zugang zum Glauben zumindest ungeklar ist.
Um tiefer zu blicken hilft der Blick auf das Glaubensbekenntnis: „Credo“ kommt von cor dare, das Herz geben. Der christliche Glaube an Gott ist und war von Anfang an Herzenssache: Es kommt nicht nur auf das Tun an, sondern zuallererst auf die innere Haltung. „Bleibt in mir, so bleibe ich in euch“(Joh 15) gehört zu den wichtigsten Sätzen von Jesus. Oder mit Paulus gesagt: „Wenn du mit deinem Mund bekennst: ‚Jesus ist der Herr‘ und in deinem Herzen glaubst: ‚Gott hat ihn von den Toten auferweckt‘, wirst Du gerettet werden.“ (Röm 10,9)
Dieses „das Herz geben“ konkretisiert sich in der Nachfolge: Jesus zuhören, zu ihm gehören, mit ihm durchs Leben gehen und sich von ihm prägen lassen. Ihm nachzufolgen ist Ausgangspunkt und Ziel für seine Anhänger*innen. Zuerst kommt das Sein in und mit Christus. Daraus entwickelt sich moralisch verantwortliches Tun. Christusnachfolge ist demzufolge Christus-Beziehung, eine lebendige Liebesbeziehung.
Auch wenn recht häufig von Freundschaft mit Jesus Christus gesprochen wird: Was das bedeuten kann, bleibt oft in bloßen Worten stecken. Um die Herzensqualität dieser Freundschaft zu entdecken und/oder zu vertiefen, braucht es zumeist Orte und Menschen, die den Suchenden ermöglichen, Gott und Jesus Christus mit dem Herzen und ganzheitlich zu erleben. Die meisten Gläubigen entdecken erst durch Anstöße von außen, welches Geschenk Jesus ihnen anbietet und welche Kraft darin steckt.
Eine lebendige Christus-Beziehung stärkt und unterstützt zuallererst die einzelne Person: Ich bin von Jesus Christus geliebt, so wie ich bin! Er bietet mir seine Freundschaft an und will sie unbedingt! Ich kann dies in meinem Herzen fühlen und ihm folgen. Das zu entdecken, hat eine eigene Wucht. Sich durch seine Freundschaft eng in die Liebe Gottes hineinverbunden zu fühlen und unbedingt geliebt und gemeint zu sein rührt an tiefste menschliche Sehnsüchte. Nicht selten können dadurch auch Lebenswunden heilen.
Die innere Verbundenheit mit Jesus Christus macht, weil sie den Einzelnen stärkt, auch widerstandsfähiger gegenüber äußeren Einflüssen und Problemen. Das zeigt sich auch im Blick auf vielerlei Unzufriedenheiten z.B. mit kirchlichen Institutionen oder Personen. Zugehörigkeit zur Kirche wird dann nicht auf Personen und die Organisation reduziert. Ein tiefer Glaube, der als persönliche Bindung und Nachfolge gelebt wird, macht unabhängiger und freier.
Die Freundschaft mit Jesus Christus ist dann Quelle und Kraft für ein Leben aus und mit dem Glauben und für das Engagement für die Kirche, für die Menschen und das gemeinsame Haus Erde. Auslöser ist die lebendige Sehnsucht, der Christusbeziehung auf der Spur zu bleiben. Aus dieser lebendigen inneren Beziehung zu leben gibt die Energien und den Kompass für ein Leben in Welt und Gesellschaft. Aber dieser Blick muss geschult, entwickelt, kultiviert werden. Nachfolge ist beglückende Innerlichkeit, erschöpft sich aber nicht darin, sondern enthält immer einen deutlichen Auftrag: Über den eigenen Horizont hinaus die anderen Menschen, die äußeren Ereignisse und die Welt im Blick zu behalten, sich dafür einzusetzen und so an Gottes neuer Welt mitzubauen.
Dies ist für unsere Zeit umso wichtiger, in der uns die verwundete Welt und ihre existentiellen Gefährdungen deutlich erkennbar wird und nicht mehr übersehen werden kann. Das Vorbild von Jesus Christus und seine Beziehung zu den Menschen bleiben Anstoß, Forderung und Ermächtigung für das dringend notwendige Engagement für Welt und Umwelt, Frieden und Gerechtigkeit.