Der folgende Text von Sr. Nathalie Becquart xmcj, Untersekretärin des Generalsekretrariats der Weltbischofssynode in Rom, wurde ursprünglich im April 2021 in der Revue „Christus“ (Nr.270) in französischer Sprache veröffentlicht. Die vorliegende Übersetzung durch Peter Hundertmark wurde von der Verfasserin autorisiert.

Sr. Nathalie Becquart von der Kongregation der Xavière-Schwestern, einer ignatianischen Gemeinschaft, wurde im Februar 2021 von Papst Franziskus zur Untersekretärin (Stellvertretende Leiterin) der Weltbischofssynode ernannt. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften und Management an der „École des hautes études commerciales de Paris“, Theologie und Philosophie am „Centre Sèvres“, der Hochschule der Jesuiten in Paris und an der „Boston College School of Theology and Ministry“, sowie Soziologie an der „École des hautes études en sciences sociales“ in Paris.
Das Generalsekretariat in Rom bereitet die Bischofssynode im Oktober 2023 mit dem Titel „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“ vor und organisiert ab September 2021 einen weltweiten Beratungsprozess. Sr. Nathalie greift in ihrem Artikel den Text der Internationalen Theologischen Kommission von 2018: „Synodalität in Leben und Sendung der Kirche“ auf und reflektiert über Bedingungen und Chancen partizipativer Synodalität und deren Konsequenzen für die Leitung der Kirche. Synodalität versteht sie dabei als eine grundlegende Lebensweise der Kirche auf allen Ebenen. Der deutsche synodale Weg kann als eine spezifische Vorabgestalt dieser umfassenden Reform der kirchlichen Abläufe verstanden werden.
„Der Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet.“ (Papst Franziskus)

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Synodalität: Ein Weg gemeinschaftlicher Bekehrung

Text: Nathalie Becquart – Photo: fsHH/pixabay.com

Als ich von 2012 bis 2018 Direktorin der Nationalen Fachstelle für die Evangelisierung der Jugend und die Berufe der Kirche (SNEJV) bei der Französischen Bischofskonferenz war, habe ich jedes Jahr, genau wie alle anderen Direktorinnen und Direktoren der nationalen Fachstellen, an der Vollversammlung der Bischöfe Frankreichs Anfang November in Lourdes teilgenommen. Im Jahr 2015 gab es dort einen Vortrag über die zweite Bischofssynode zur Familie, die gerade in Rom stattgefunden hatte. Die französischen Bischöfe, die von der Bischofskonferenz zu dieser Synode delegiert waren, ermöglichten es den anderen Bischöfen, an der Erfahrung in Rom teilzuhaben. Ganz authentisch und ohne persönliche Eitelkeiten erzählten sie davon, wie dieser Monat der Begegnungen mit Bischöfen aus der ganzen Welt ihre Sicht der Dinge verändert und in ihnen eine Bekehrung bewirkt hatte. Kardinal André Vingt-Trois drückte es humorvoll so aus: „Selbst mich, einen alten Kardinal, der in seinen Überzeugungen fest verankert ist, wie Sie sich vorstellen können, hat diese Synode tief bewegt!“ Bereits 2012, bei der Rückkehr von der Bischofssynode zur Neuevangelisierung, fiel mir die Bemerkung von Bischof Yves Le Saux aus Le Mans auf: „Während dieser Synode wurden uns die radikalen Veränderungen in unserer Gesellschaft und die Herausforderung einer pastoralen Umkehr bewusst. Und wir, die Bischöfe, haben verstanden, dass die Evangelisierung mit unserer persönlichen Bekehrung beginnt.“ Als ich, Sr. Nathalie, dann 2018 die Chance hatte, an der Bischofssynode zum Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ teilzunehmen, habe ich das selbst am eigenen Leib erfahren. Diese Synode hat mich zutiefst verändert, weit über das hinaus, was ich mir hätte vorstellen können. Synodalität, wenn sie in einer Haltung des Hörens auf den Geist und der Unterscheidung der Geister gelebt wird, ist wirklich ein Weg der persönlichen und gemeinschaftlichen Bekehrung. Papst Franziskus drückt dies in seinem jüngsten Interviewbuch zur aktuellen Krise aus: „Was einen synodalen Weg kennzeichnet, ist die Rolle des Heiligen Geistes. … Durch die Offenheit für Veränderungen und neue Möglichkeiten ist die Synode für jeden einzelnen eine Bekehrungserfahrung.“ (zitiert nach : François, Un temps pour changer. Flammarion, 2020.)

Was Synodalität wirklich bedeutet, ist nicht im vornherein festgelegt. Synodalität in der Kirche zu leben, verlangt von uns, offen zu sein für Gott, der uns überrascht. Gott kommt zu uns, indem wir auf die anderen Glaubenden hören. Er kommt, um uns zu berühren, aufzurütteln, uns innerlich zu bewegen. Durch den Impuls der Synodalität macht sich eine in der Eucharistie verwurzelte Gemeinschaft miteinander auf den Weg und wird sich ihrer selbst bewusst. Auf diesem gemeinsamen Weg erlebt sie einen Ruf in die Umkehr. Diese Bekehrung, die durch die Erfahrung der Synodalität ausgelöst wird, ermöglicht es, eine neue Gestalt der Kirche als einer missionarischen Gemeinschaft im Dienst an der Welt anzustreben und auch hervorzubringen.

Synodalität ist ein Prozess – ein spiritueller Prozess – der sich mit der Zeit entfaltet. Sie benötigt natürlich einen Rahmen und eine Struktur, aber grundlegender ist Synodalität „der ureigene Stil, der das Leben und die Sendung der Kirche ausmacht. Sie drückt ihr Wesen als Weggemeinschaft und als Versammlung des Gottesvolkes aus, das vom Herrn Jesus in der Kraft des Heiligen Geistes zusammengerufen wurde, um das Evangelium zu verkünden.“ (ITK -Internationale Theologische Kommission: Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche. 2018, 70a) Zuerst soll nun näher definiert werden, was Synodalität ist, um dann die menschlichen und spirituellen Haltungen in Blick zu nehmen, die dafür erforderlich sind.

Sich im Leben der Dreifaltigkeit gründen

Synodalität ist ein Modewort geworden! In der Kirche Frankreichs plädieren viele Initiativen und Publikationen für die Umsetzung einer stärker synodalen Kirche auf allen Ebenen. Da Papst Franziskus die Synodalität zu einem der Hauptanliegen seines Pontifikats und zum Thema der nächsten Bischofssynode (Das Thema der 16. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode im Jahr 2023 lautet: Für eine synodale Kirche: Kommunion, Partizipation und Mission) gemacht hat, sind alle Getauften aufgerufen, Synodalität zu leben und voran zu bringen. Aber was genau ist Synodalität? Welche Vision der Kirche kommt darin zum Ausdruck? Wie geht Synodalität praktisch?

Oft wird, um es so einfach wie möglich zu machen, Synodalität entsprechend der Etymologie des Wortes ‚Synode‘ (vom griechischen syn-odos, ‚gemeinsame Reise‘) als ein gemeinsamer Weg im Hören auf den Geist beschrieben. Aber Synodalität, ein antiker griechischer Begriff, dessen lateinisches Äquivalent concilium (‚Konzil‘) eine Versammlung von Bischöfen bezeichnet, ist ein reichhaltiger und polymorpher Begriff, der keine eindeutige Definition hat. Denn Synodalität ist ein modus vivendi et operandi (dt.: eine Lebens- und Vorgehensweise): “ Dieser modus vivendi et operandi verwirklicht sich durch das gemeinschaftliche Hören auf das Wort und die Feier der Eucharistie, die Geschwisterlichkeit der Gemeinschaft und die Mitverantwortlichkeit und die Teilhabe des ganzen Volkes Gottes an ihrem [der Kirche] Leben und ihrer Sendung, und zwar auf seinen unterschiedlichen Ebenen und in der Unterscheidung der verschiedenen Ämter und Rollen.“ (ITK, 70a) Es geht um einen Stil, eine Praxis, eine Art und Weise, in Zeit und Welt Kirche zu sein „nach dem Bild der Dreifaltigkeit“, so Papst Franziskus: „Die traditionelle, aber stets zu erneuernde Praxis der Synodalität ist die Verwirklichung der Kirche – in der Geschichte des pilgernden Gottesvolkes – als Mysterium der Gemeinschaft nach dem Bild der dreifaltigen Gemeinschaft. Wie ihr wisst, liegt mir dieses Thema sehr am Herzen: Synodalität ist ein Stil, ein gemeinsames Gehen, und es ist das, was der Herr von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet..“ (Ansprache Papst Franziskus‘ an die Internationale Theologische Kommission am 29. November 2019).

Diese traditionelle Vorstellung war in der Tat ein Merkmal der frühen Kirche, denn in den ersten Jahrhunderten wurden viele lokale Synoden und Konzilien abgehalten, um den versammelten Bischöfen die Möglichkeit zu geben, in einem Kontext, der von Kontroversen und Häresien geprägt war, miteinander zu diskutieren und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Mit dem Historiker John O’Malley kann festgehalten werden, dass „aus historischer Sicht die traditionelle Leitung der Kirche synodal, beziehungsweise kollegial war.“ (Zitiert nach: John W. O’Malley, When Bishops Meet, Harvard University Press, 2019). Obwohl Synodalität ihre Wurzeln bereits in der Bibel hat – hier ist besonders das „Konzil“ von Jerusalem (Apg 15) zu nennen, das als ‚paradigmatisches Modell‘ (Alberto Meloni/Silvia Scatena (Hrsg.), Synod and Synodality, Lit Verlag, 2005, 113.) für alle nachfolgenden Konzilien gilt -,  ist sie in ihrer modernen Form und Wiederaneignung eine Frucht des Zweiten Vatikanums. In der Tat ist die Einsetzung der Bischofssynoden durch Paul VI. im September 1965 bei der Eröffnung der vierten und letzten Sitzungsperiode des Konzils Ausdruck dieser Synodalität. Sie ist als Mittel gedacht, um die von den Konzilsvätern gelebte und gewünschte Erfahrung der Kollegialität fortzuschreiben. Wenn auch Synodalität und Kollegialität an derselben ‚Dynamik der Communio‘ teilhaben, die für die Kirche konstitutiv ist, unterscheidet man heute zwischen der bischöflichen Kollegialität, wie sie im Zweiten Vatikanum wieder eingeführt wurde, und Synodalität, die nicht mehr nur Ausdruck der bischöflichen Kollegialität ist, sondern alle Gläubigen einbezieht.

Mit Papst Franziskus, der die Bischofssynode zu einem wichtigen Instrument für sein Projekt der Reform der Kirche hin auf eine missionarische Umgestaltung gemacht hat, gewinnt die Synodalität an Schwung und entfaltet sich als eine dynamische Vision für die Kirche, eine Kirche, die auf Barmherzigkeit ausgerichtet und zu ständiger Umkehr gerufen ist. Synodalität, Reform der Kirche und Bekehrung sind also untrennbar miteinander verbunden.

In der Eucharistiefeier, die am 9. November 2013 in St. Martha gefeiert wurde, beschreibt Papst Franziskus die Herausforderung für die Kirche: „Die Kirche ist immer erneuerungsbedürftig, weil ihre Glieder Sünder sind und der Bekehrung bedürfen.“ Synodalität trägt daher immer den Ruf nach persönlicher und gemeinschaftlicher Bekehrung in sich und wirkt auch auf sie hin. Sie ist ein Weg der spirituellen und pastoralen Bekehrung. Sie setzt bestimmte geistliche Haltungen voraus und erfordert sie zugleich. Man kann sogar von einer Spiritualität der Synodalität sprechen. Es ist eine Spiritualität der Gemeinschaft, wie es in dem wichtigen Dokument der Internationalen Theologischen Kommission „Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche“ im Abschnitt über „Die Spiritualität der Gemeinschaft und die Ausbildung zum synodalen Leben“ gut beschrieben ist: “ Daher kommt die Notwendigkeit, dass die Kirche ‚zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft‘ wird. Ohne die Umkehr des Herzens und des Geistes und ohne asketische Übung der Annahme und des gegenseitigen Zuhörens wären die äußeren Instrumente der Gemeinschaft nutzlos und könnten sich stattdessen in einfache Masken ohne Herz und Gesicht verwandeln. Wenn daher die Rechtsweisheit durch präzise Festlegung von Regeln für die Teilnahme die hierarchische Struktur der Kirche herausstellt sowie Versuchungen zu Willkür und ungerechtfertigten Ansprüchen abwehrt, so verleiht die Spiritualität der Gemeinschaft dem institutionellen Tatbestand eine Seele und leitet zu Vertrauen und Öffnung an, die der Würde und Verantwortung eines jeden Gliedes des Gottesvolkes voll entspricht.“ (ITK, 107)

Eine Spiritualität des kirchlichen „Wir

Um diesen gemeinsamen Weg im Hören auf den Geist zu ermöglichen, muss die Synodalität eine Praxis der gemeinsamen Unterscheidung der Geister einführen. „Dies regt das Entstehen und Fortführen von Prozessen an, die uns als Volk Gottes aufbauen.“ (Franziskus: Brief an das pilgernde Volk Gottes, 3) und zielt auf eine missionarische Gemeinschaft ab. Zusammenfassend könnten wir sagen, dass Synodalität bedeutet, vom „Ich“ zum „Wir“ zu kommen. Aber es ist ein „Wir“, das die einzelnen „Ichs“ in einen integrativen Prozess einbindet. Es ist ein „Wir“, in dem jedes „Ich“ ein Akteur ist. Synodalität bedeutet, die Priorität des kirchlichen „Wir“ wiederzugewinnen, um dem Gemeinwohl zu dienen, indem man sich bewusst wird, dass „das Leben ein gemeinschaftlicher Weg ist, in dem Aufgaben und Verantwortlichkeiten so untereinander verteilt und miteinander geteilt werden, dass sie dem Gemeinwohl zugutekommen.“ (Franziskus: Querida Amazonia, 20) Die Synodalität, die voraussetzt, dass alle Getauften ihre Taufe ernst nehmen, um Protagonisten der Zukunft und Akteure der Sendung der Kirche zu sein, erweckt und stärkt in uns die ekklesiale Dimension, die für unsere Taufberufung konstitutiv ist. Synodalität ist zutiefst mit einer Ekklesiologie des Volkes Gottes verbunden. In ihr verwurzelt, betont sie die gleiche Würde aller Getauften, aller Geistträgerinnen und Geistträger, aller Berufenen und aller missionarischen Jüngerinnen und Jünger. Synodalität verlangt, den „sensus fidei fidelium“ (Lumen Gentium, 12) – das unfehlbare Gespür aller Glaubenden für den rechten Glauben –  ernst zu nehmen und deshalb auf alle zu hören: „Ich möchte die unverzichtbare Rolle des Volkes Gottes in diesem [synodalen] Prozess betonen. Auf diese Weise gewinnt der sensus fidei seine aktive Funktion zurück, die es ermöglicht, das Hören als Prinzip einer ganz und gar synodalen Kirche zu praktizieren.“ (Ansprache von Kardinal Grech beim Konsistorium am 28. November 2020) Auf diese Weise kann die Vielfalt der Stimmen in der Kirche berücksichtigt werden. „Dieselben Voraussetzungen, die zum Leben und zur Reifung des sensus fidei gefragt sind, mit dem alle Gläubigen ausgezeichnet sind, sind ebenfalls gefragt, um ihn auf dem synodalen Weg zu praktizieren.“ (ITK, 108)

Auf den Geist hören

So fordert uns die Synodalität auf, die Kirche in einer dynamischen und systemischen Vision zu sehen: ein Vision, die inklusiv und nicht konkurrierend ist, die die Vielfalt der Charismen berücksichtigt, Beziehungen und Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt, Zuhören und Dialog, Partizipation und Mitverantwortung, Gegenseitigkeit unter allen Mitgliedern und Zirkularität zwischen allen kirchlichen Polen betont. Über die formale Synodalität hinaus, die sich in institutionellen Strukturen und Prozessen wie Pastoralräten, Synoden oder Konzilien entfaltet, muss dieser Aufruf, „gemeinsam unterwegs zu sein und sich als Volk Gottes zu versammeln, das vom Herrn Jesus in der Kraft des Heiligen Geistes berufen ist, das Evangelium zu verkünden, in der gewöhnlichen Lebens- und Arbeitsweise der Kirche zum Ausdruck kommen “ (ITK, 108) . Synodalität ist also ein Prozess, ein geistlicher Prozess, der an der Basis in den Ortskirchen und auf allen Ebenen gefördert werden muss. Es ist eine Lebensweise, die die Beteiligung und Zusammenarbeit aller fördert und weiterentwickelt.

Um in diesen Stil und diese Praxis der Synodalität einzutreten, müssen wir geistliche Haltungen kultivieren und wirksam werden lassen: Zuhören, Dialog, Einfühlungsvermögen, Austausch, innere Freiheit und Freiheit der Rede, Demut, Suche nach Wahrheit und vor allem Glaube und Vertrauen in Gott, Verankerung im Gebet und in der Eucharistie. Vertrauen in den Heiligen Geist, der in jedem Einzelnen atmet und auch in der Gruppe, die gemeinsam den Weg der Synodalität geht. Denn die Erfahrung der Synodalität ist vor allem eine Erfahrung des Geistes, sie ist ein offener, nicht im Voraus vorgezeichneter Weg, der durch die Begegnung, den Dialog und den Austausch entsteht, und der die Vision eines jeden erweitert und bewegt. Es ist ein Weg der Menschlichkeit und Geschwisterlichkeit, der uns zu einer ‚Familie‘, einer Gemeinschaft werden lässt.

Ein Aufruf zur Veränderung

In die Synodalität einzutreten bedeutet also, sich auf eine Reise einzulassen, als Pilger in einer Kirche zu leben, die selbst auf einer Pilgerreise auf dieser Erde ist. Synodalität ist eine Erfahrung der Inkarnation, eine Erfahrung, die uns mit der Realität in Kontakt bringt, mit den Schreien der Leidenden und der Not der Welt. Synodalität ist eine „Art des Zusammenseins und der Zusammenarbeit von Jung und Alt, im Zuhören und in der Unterscheidung, um zu pastoralen Entscheidungen zu gelangen, die auf die Realität antworten. (Franziskus beim Angelus-Gebet zum Abschluss der Jugendsynode am 28. Oktober 2018) Synodalität ist ein Aufruf zur Veränderung in einer Kirche in Bewegung. Sie ist wie ein ‚gemeinsamer Tanz‘, in dem sich alle, Seelsorgerinnen und Seelsorger und alle Gläubigen, durch einen lebendigen Dialog und einen Austausch im Vertrauen, in Beziehung zueinander bewegen, im Hören aufeinander und im gemeinsamen Hören auf die Musik des Geistes. Um in die richtige Haltung des Dialogs und Austausches zu kommen, gilt es sowohl mit Mut und Offenheit – in Freiheit, Wahrheit und gegenseitigem Wohlwollen – zu sprechen, als auch eine Demut aufmerksamen Zuhörens zu pflegen. So erfordert Synodalität Innerlichkeit und Achtsamkeit für die Regungen und Bewegungen der Seele in jedem Einzelnen und in der Gruppe. Synodalität in der Kirche verlangt, dass alle in der Unterscheidung der Geister geschult werden, denn sie setzt die Fähigkeit voraus, jene Früchte des Geistes zu erkennen, die auch die Früchte der Synodalität sind: Freude, Friede, missionarischer Schwung, Gemeinschaft, der Wunsch nach Engagement, Liebe zu den anderen und zur Kirche…

Die Herausforderung angemessener Autorität

Um auf allen Ebenen der Kirche, sowohl auf lokaler als auch auf universaler Ebene, umgesetzt werden zu können, braucht die Synodalität Führungskräfte, die in der Lage sind, synodale Prozesse zu leiten und zu begleiten. Denn in Struktur der katholischen Kirche gibt es keine Synodalität ohne Primat (Primat bezeichnet den Vorrang des Papstes, der der Synode der Bischöfe vorsteht). Wenn man das verallgemeinert, kann man sagen, dass die Synodalität, da die katholische Kirche strukturell ein hierarchisches Prinzip beinhaltet, sich auf allen Ebenen der Kirche nicht ohne den Dienst der Leitung entwickeln (vgl. ITK, 7). Dies ist zweifelsohne eine der größten Herausforderungen. Um Synodalität zu verwirklichen, um eine synodale Pastoral zu entfalten, braucht die Kirche heute Leitungspersönlichkeiten – Seelsorgerinnen und Seelsorger, die in der Haltung und Praxis der  Synodalität geschult sind und einen neuen Leitungsstil ausüben, den man als kollaborative Leitung charakterisieren kann – nicht mehr vertikal und klerikal, sondern horizontal und kooperativ. Es ist eine Leitung, die dient, was sich in einer neuen Beziehung zur Macht und einer neuen Art der Ausübung von Autorität niederschlägt, die als Dienst der Freiheit konzipiert ist. Diese Art der Leitung ist ein Begleiten, bei dem man mitten unter der anderen steht und nach Mitverantwortung, Selbstorganisiation und Partizipation aller strebt. Dies erfordert ein Verständnis von Autorität, die dazu da ist, die „Freiheit zu befreien“ (Abschlussdokument der Jugendsynode, 71) und nicht dazu, Macht über andere auszuüben. Nach dem Vorbild von Papst Franziskus sind die pastoralen Führungskräfte zum Dienst an der Synodalität aufgerufen, indem sie sich zugleich als Hirten und als Jünger Jesu verhalten und folgende Schlüsselworte für sich übernehmen: Nähe, Verfügbarkeit, Vertrauen, Gegenseitigkeit – ohne dabei die Verantwortung zu vergessen, das Ziel der Synodalität im Blick zu behalten, das darin besteht, das Volk Gottes aufzubauen, als eine geschwisterliche und missionarische Gemeinschaft, die im Dienst des Gemeinwohls der ganzen Gesellschaft steht.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Synodalität – als Prozess der Bekehrung – in der Tat eine Kunst ist, nämlich die Kunst der geistlichen Unterscheidung, die das Wirken des Geistes Gottes aufnimmt und benennt, um so die Kirche zu einem ‚Schiff in Bewegung‘ zu machen. Es ist die Kunst einer Kirche, die sich erneuern lässt, um immer mehr zu einer relationalen, inklusiven, dialogischen und generativen Kirche zu werden, d.h. zu einer Kirche im Werden, die mit und durch diejenigen, die sie lebendig machen, ständig neu geboren wird.

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