Eine Hilfsaktion, eine andere Weise Kirche zu sein, eine geistliche Erfahrung…? Sorge für die Gesundheit, Heilung, gehört zentral in den christlichen Auftrag. Zur Zeit des Neuen Testamentes durch Handauflegung, heute durch Impfung, Medizin, therapeutisches Handeln… und immer auch durch Gebet.
Impfen und beten
Text: Brigitta Sassin – Photo: KtzD66/pixabay.com
„Und nach dem Pieks gehen sie in die Kirche und bleiben dort für mindestens 15 Minuten!“ sagte eine Impfärztin in diesen Sommertagen immer wieder. Was komisch oder gar befremdlich klingt, ist unsere Wirklichkeit, unsere Rettung. In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Gesundheitsamt haben wir Impfungen für Menschen möglich gemacht, denen der Zugang zum heilsamen Pieks erschwert ist. Mobile Impfteams kamen seit Monaten zunächst in Altersheime und Pflegeeinrichtungen, dann auch in Hochhausviertel, Moscheegemeinden, auch in die Seniorengruppe der jüdischen Gemeinde – und jetzt eben in die Gemeinden der Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache! Knapp 300 Menschen haben an drei Tagen das Angebot zur Erstimpfung angenommen. Der polnische Kaplan, die spanischsprachige Seelsorgerin, der eritreisch stämmige Sozialpastorale Mitarbeiter und viele andere mehr haben im Vorfeld ihre Gemeindemitglieder informiert, geworben und vorbereitet für die Impfungen. „Haben Sie denn überhaupt geeignete Räume, damit wir dort impfen können?“, so wurde ich anfangs vom Gesundheitsamt gefragt. Räume sind nicht unser Problem! Der Gemeindesaal wurde zum provisorischen Impfzentrum, die Kirche zum Ort, wo Menschen auf die Impfung warten – oder danach noch sitzen bleiben, um bei einer plötzlich auftretenden Impfreaktion nicht allein zu sein.
Die Menschen, die hier zur Impfung gekommen sind, kennen sich untereinander. Die zwölf beteiligten Sprachgruppen kommen zu unterschiedlichen Zeiten. Die Frauen und Männer aus der Portugiesisch sprachigen Gemeinde werden von ihrem Pfarrer begleitet, er hält die Liste in der Hand, alle, die angemeldet sind, kommen dran. Gemeinsam sich auf den Weg machen, sich gemeinsam der Unsicherheit dieser Impfsituation stellen… die Menschen haben glückliche Gesichter, sind erleichtert. Die Anmeldung über das Impfzentrum schien zu kompliziert und langwierig, einen Hausarzt haben sie nicht alle, hier bei unserer Impfaktion gibt es Freiwillige, die übersetzen und helfend zur Seite stehen. Keiner, keine ist allein. Es ist, als ob Kirche in dieser Zeit der Ängste und Bedrohung Halt geben kann. Die Zweitimpfung wird in sechs Wochen geschehen, gleicher Ort, gleiche Zeit, so werden alle erinnert…
Ich habe auch rümpfende Nasen erlebt, eine Deutsche, die sich entrüstet, warum die Menschen nicht zum Impfzentrum gehen würden, es bräuchte doch keine Extrabehandlung… dann eine Sekretärin einer muttersprachlichen Gemeinde, die mir am Telefon erklärt, sie würde nicht an Impfungen glauben, das sei keine Hilfe – und noch andere, ähnliche Stimmen…
Es ist ein bisschen wie damals bei Jesus, den Jüngern und Jüngerinnen… und den vielen Menschen, die nach Heil suchten. Die Heilung der Kranken gehörte für ihn dazu. Jesus, der Arzt der verwundeten Herzen, der geschundenen Körper, der Heiland, der das ganzheitliche Heil der Menschen wollte, scheint mir ganz nah in diesen Tagen. Fromme Sprüche reichen nicht. Wir begleiten und ermöglichen den Schutz vor der Ansteckung. Gesundheit zu schützen und zu fördern ist eine Aufgabe der Pastoral – in anderen Kontinenten ist das selbstverständlich, wir in Frankfurt lernen das langsam. Impfen ist Teil unseres geistlichen Lebens, wir empfangen und danken in Gemeinschaft.