Für viele Firmen ist „Diversity“ – positive Vielfalt – das Zauberwort, mit dem sie die Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeiter/innen nutzen für bessere Produkte. Und nun Diversity auf kirchlich: Andere Formen, andere Orte… für andere Menschen, damit Glaube für alle lebendig wird.
Gott im Änderungsatelier
Text: Martina Patenge – Photo: nikolabelopitov/pixabay.com
„Änderungsatelier“ steht auf dem Schaufenster. Und „Maßanfertigung“. Dahinter ein Tisch, ein Sofa, Stühle, Kerzenschein, und alle Plätze besetzt. Ein Schneideratelier, das jetzt für Gottesdienste genutzt wird. Etwas andere Gottesdienste: nicht im Kirchenraum, auch nicht im Gemeindehaus, sondern mitten in Köln-Mühlheim in diesem Laden. Hierher kommen Leute, die eine Kirche wohl derzeit eher nicht betreten würden. Und die doch nach Gott suchen. In diesem Laden tun sie das, sprechen miteinander über ihr Leben, hören sich gegenseitig zu, und tauschen Erlebnisse aus, die sie mit Gott verbinden. Der Pfarrer und Gastgeber bereitet diese Treffen vor, damit es leichter wird, über diese Fragen zu sprechen und nachzusinnen. Zum Schluss spricht er ein Gebet und verabschiedet die Gäste; manche werden beim nächsten Mal wieder kommen.
„Maßanfertigung“ – Ich finde die Aufschrift auf dem Schaufenster genial. Ja, hier gibt es maßgefertigte neue Gottesdienst-Formen. Der Pfarrer dieses Gemeindebezirks hat sich diese Treffen ausgedacht. Er gestaltet die Gottesdienste so, dass sie anderen Leuten passen – denen, die sich in der traditionellen Kirche nicht mehr aufgehoben fühlen. Die aber nach Glauben suchen, und das ausdrücken wollen, damit er auch ihr Leben trägt. Eigentlich ist das nur naheliegend: Weil sich die Lebenswirklichkeiten ständig verändern – müssen sich auch die Gottesdienstformen verändern. Damit die, die anders drauf sind, sich auch angesprochen fühlen. Neues und Altes nebeneinander, das wär‘s. Die traditionellen Gottesdienste braucht es weiterhin. Sie gehören ja zu den Schätzen des Gemeindelebens. Aber ohne das Neue würde auch das Traditionelle irgendwann aussterben. Denn Leben verändert sich stetig. Wir fahren auch nicht mehr in Kutschen, sondern in hochmodernen Autos mit Airbag, Spurhalteassistent und jeder Menge Elektronik. Wir sitzen nicht mehr bei Petroleumfunzeln in eiskalten Kirchen und frieren, sondern wünschen warme, gepflegte, helle Gottesdiensträume. Wir hören auch keine Strafreden mehr, die Angst vor der Hölle machen, wie früher einmal im Mittelalter, sondern möchten ermutigt und bestärkt aus einem Gottesdienst kommen. Der Wunsch, dass Kirche sich immer weiter erneuert, ist so alt wie die Kirche selbst.
Also: Wenn das Leben sich ständig ändert, dürfen sich auch die Formen verändern, wie wir beten. Und wenn Menschen im Änderungsatelier Gott loben und preisen auf ihre Weise, so ist das einfach nur wunderbar!
(Erstveröffentlichung: hr 2)