Geistliche Begleitung wird in Deutschland meist auf der Basis einer Vorgehensweise angeboten, die von Ignatius von Loyola für seine Exerzitien entwickelt wurde. Im folgenden Beitrag werden die zentralen Anweisungen des Exerzitienbuches aufgeschlüsselt und in ihrer Bedeutung für das Begleitungsgeschehen erläutert.

Grundhaltungen des Begleitens

Text: Regina Stallbaumer – Photo: Couleur/pixabay.com

Ignatius beschreibt in seinen Anmerkungen zum Exerzitienbuch (EB 1-22) die Beziehung zwischen dem/der Begleiter/in und dem/der Begleiteten. Dabei benennt er wesentliche Haltungen und Interventionsformen für das Begleiten. Nicht alles lässt sich dabei eins zu eins auf die Geistliche Begleitung übertragen. Dennoch gibt es einige zentrale Punkte, die meiner Erfahrung nach auch für die Geistliche Begleitung grundlegend sein können.

So werde ich in dieser Arbeit auf einige dieser mir bedeutsam erscheinenden Punkte eingehen. Dabei werde ich zunächst auf die Ziele und Voraussetzungen Geistlicher Begleitung blicken. Ausgehend davon werde ich auf einige Grundhaltungen des/der Begleitenden eingehen, die für die Begleitung notwendig sind. Anschließend werde ich einige Grundperspektiven und Interventionsformen im konkreten Begleitgeschehen aufzeigen.

Was ist geistliche Begleitung?

Für das Begleitgeschehen ist es hilfreich, wenn sich der/die Begleiter/in und der/die Begleitete darüber verständigen, was für sie Geistliche Begleitung bedeutet, bzw. was sie davon erwarten. Sicherlich wird jede/r Begleiter/in eine eigene Färbung in die Geistliche Begleitung einbringen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten können auch die Bedürfnisse des/der Begleiteten verschieden sein. Dennoch ist eine Verständigung über die Grundzüge Geistlicher Begleitung wichtig, um immer wieder darauf zurück kommen zu können.

Im ignatianischen Sinne unterstützt Geistliche Begleitung beim Wahrnehmen, Klären und Unterscheiden der Stimme Gottes im eigenen Leben. Alles, was das Leben ausmacht, kann zur Sprache kommen und wird auf seine Bedeutung vor Gott und auf Gott hin befragt. Ziel ist es, das alltägliche Leben von Gott her [zu] ordnen und den persönlichen Glauben [zu] vertiefen. Ignatius spricht in seinem Exerzitienbuch im Blick auf die Exerzitien davon, dass es darum geht, den Willen Gottes zu suchen und zu finden, sein Leben zu ordnen und sich von ungeordneten Anhänglichkeiten nicht bestimmen zu lassen (EB 1, EB 21). Oder anders ausgedrückt: es geht um die Vertiefung der Liebe zu Gott und um die daraus erwachsende Liebesantwort des Menschen (EB 15). Um diese Grundorientierung geht es letztendlich nicht nur bei den Exerzitien, sondern auch in der Geistlichen Begleitung im ignatianischen Sinne.

Es ist wichtig, diese Grundorientierung immer wieder bewusst in den Blick zu nehmen. Es kann vorkommen, dass die Begleitgespräche bisweilen eher den Charakter einer Supervision bekommen, dass vielmehr Lebensberatung gesucht wird, dass eher Therapie notwendig wäre, oder dass eher Katechese gefragt ist. Geistliche Begleitung lässt sich von diesen Bereichen nicht ganz klar abgrenzen, es kann immer auch zu Überschneidungen kommen. Diese Aspekte sollten jedoch nicht dauerhaft das Übergewicht bekommen. Ist dies der Fall, sollte unterschieden werden, ob es darum geht, gegenzusteuern und das Ziel der Geistlichen Begleitung wieder bewusst in den Blick zu nehmen oder ob der/die Begleitete in der aktuellen Situation eher etwas anderes (Supervision, Therapie, Katechese, etc.) braucht – sei es als Alternative oder sei es ergänzend zur Geistlichen Begleitung. Der/die Begleiter/in sollte bei einer Zwischenreflexion oder an anderer geeigneter Stelle bewusst ansprechen, wenn er/sie den Eindruck hat, dass diese anderen Aspekte das Übergewicht bekommen. Er/sie sollte auch um die eigenen Fähigkeiten und Grenzen wissen. Wird dies nicht offen angesprochen, besteht die Gefahr, dass einerseits die Geistlichen Begleitung nicht zu ihrem Ziel kommt und andererseits auch keine fundierte Therapie, Supervision, etc. möglich ist.

Sehnsucht nach Gott als Ausgangspunkt

Voraussetzung für einen Prozess von Geistlicher Begleitung ist, dass der/die Begleitete tatsächlich Gott sucht und sein/ihr Leben von Ihm her ordnen und prägen lassen möchte. Im Exerzitienbuch ist davon die Rede, dass der/die Exerzitant/in mit Großmut und Freigiebigkeit gegenüber dem Schöpfer und Herrn in die Exerzitien eintreten soll und Ihm, sein/ihr ganzes Wollen und seine/ihre ganze Freiheit anbieten soll (EB 5). Wenngleich diese Worte etwas extrem klingen mögen, so gilt doch diese Grundausrichtung auch für die Geistliche Begleitung. Eine grundsätzliche Sehnsucht und Offenheit, die eigene Gottesbeziehung vertiefen und sein Leben daraus gestalten zu wollen, sollte der/die Begleitete mitbringen – ansonsten wird eine Geistliche Begleitung kaum möglich sein. Bisweilen kann diese Sehnsucht überschattet werden. Für Ignatius ist es dann wichtig, zumindest die Sehnsucht nach der Sehnsucht wahrzunehmen. Sie kann Ausgangspunkt für einen weiteren Prozess sein. Der/die Begleiter/in kann den/die Begleitete/n im Begleitprozess dabei unterstützen, dieser Sehnsucht wieder neu gewahr zu werden. Sie ist Voraussetzung, um sich mit Offenheit auf einen Weg mit Gott einzulassen und sich dabei begleiten zu lassen.

Geistlicher Hintergrund des/der Begleiter/in

Voraussetzung für Geistliche Begleitung ist auch, dass der/die Begleiter/in selbst die eigene Gottesbeziehung pflegt und daraus zu leben sucht. Schon bei den Wüstenvätern wird deutlich, dass die Grundlage für das eigene Begleiten die eigene Gotteserfahrung und der eigene geistliche Weg ist. Geistliche Begleitung ist ein geistliches Geschehen. Der/die Geistliche Begleiter/in kann sich Hintergrundwissen aneignen und sich in verschiedene Methoden einüben, deren Aneignung wichtig ist und die für das Begleitgeschehen hilfreich sein können. Geistliche Begleitung kann jedoch nicht allein durch Methoden erlernt werden. Der/die Begleiter/in kann eine andere Person nur insofern begleiten, als er/sie auch selbst einen geistlichen Weg geht. Aus der eigenen Gottesbeziehung darf Gelassenheit erwachsen und das Vertrauen darauf, dass letztendlich Gott in diesem Begleitgeschehen wirkt. Dieses sollte letztendlich auf der Grundlage einer Haltung der Liebe gründen. Auf der Grundlage der eigenen Gottesbeziehung darf der/die Begleiter/in neben aller Professionalisierung Geistlicher Begleitung durch Wissen und Methoden auch der eigenen Intuition trauen.

Vertrauensverhältnis

Für die Geistliche Begleitung ist ein Vertrauensverhältnis zwischen dem/der Begleiter/in und dem/der Begleiteten notwendig. Es ist Voraussetzung, damit sich der/die Begleitete im Begleitgeschehen öffnen kann. Der/die Begleiter/in darf den/die Begleitete/n in keiner Weise dazu drängen, ihm/ihr sein/ihr Gewissen zu eröffnen. Gleichzeitig kann der/die Begleiter/in den/die Begleitete/n besser darin unterstützen, die verschiedenen inneren Regungen zu unterscheiden und freier zu werden, je vertrauensvoller der Dialog sein kann (EB 17). So ist es insbesondere zu Beginn eines Begleitprozesses hilfreich, zunächst z.B. drei erste Gespräche zu vereinbaren und danach zu entscheiden, ob ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zwischen dem/der Begleiter/in und dem/der Begleiteten möglich ist. Der/die Begleitete sollte sich in aller Freiheit auch eine/n andere/n Begleiter/in suchen können, wenn er/sie spürt, dass er/sie sich in der Begleitbeziehung nicht frei fühlt.

Gott, als der eigentliche Begleiter

Sowohl der/die Begleiter/in, als auch der/die Begleitete sollte sich bewusst sein, dass das Eigentliche zwischen dem/der Begleiteten und Gott geschieht. Er/Sie soll seinen/ihren eigenen Weg des Suchens und Erkennens gehen. Im Exerzitienbuch ist davon die Rede, dass es darum geht, „dass der Schöpfer und Herr selbst sich seiner frommen Seele mitteilt“ (EB 15). Der/die Begleiter/in „soll sich also weder zu der einen Seite wenden oder hinneigen noch zu der anderen, sondern in der Mitte stehend wie eine Waage unmittelbar den Schöpfer mit dem Geschöpf wirken lassen und das Geschöpf mit seinem Schöpfer und Herrn“ (EB 15).

Dies erfordert einen großen Respekt vor dem „heiligen Raum“ zwischen Gott und dem/der Begleiteten. Köster und Andriessen beschreiben diesen Respekt im Blick auf die Exerzitienbegleitung so: „Der Exerzitienbegleiter wird sich zurücknehmen, sobald er wahrnimmt, dass Gott selbst die Initiative übernimmt und sich dem Suchenden erschließt. Das eigentliche Geschehen, die Umformung in Christus, spielt sich im anderen ab, in dessen eigener Mitte. In diesem Innenraum zwischen Gott und Mensch darf der Exerzitienbegleiter mit seinen eigenen Vorstellungen nicht sprechen“. Diese Haltung ist auch für die Geistliche Begleitung wichtig. Die Ehrfurcht vor diesem Geschehen zwischen Gott und dem/der Begleiteten gebietet auch, dass der/die Begleiter/in nicht für den/die Begleitete/n denkt und ihm/ihr Ratschläge gibt, die sich nicht aus dem Prozess des/der Begleiteten ergeben und aus dem Leben und Erleben des/der Begleiteten hervorgehen. Der/die Begleiter/in soll vielmehr „Geburtshelfer/in“ sein, der/die dem/der Begleiteten hilft, den Schatz im Acker seines/ihres eigenen Lebens auszugraben und mit wachsender Eigenständigkeit sich auf Gott hin zu öffnen und sich von ihm her formen zu lassen. Dies erfordert vom/von der Begleiter/in ein hohes Maß an Neutralität und Indifferenz. Die Begleitung muss ergebnisoffen sein. Diese Haltung ist auch dazu notwendig, damit der/die Begleitete sich nicht (unbewusst) gedrängt fühlt, „Siegesmeldungen“ abzuliefern, sondern sich vielmehr frei fühlen kann, möglichst nüchtern einen „Wetterbericht der Seele“ in das Begleitgespräch einzubringen.

Begleiten, nicht führen

Der/die Begleiter/in sollte den/die Begleitete/n begleiten und nicht führen. Damit ist gemeint, dass der/die Begleiter/in nicht schon das Ziel wissen sollte und den/die Begleitete/n dorthin führt. Vielmehr sollte der/die Begleiter/in eine Offenheit für den je individuellen Weg des/der Begleiteten haben und bei dem/der Begleitete/n bleiben und mitgehen, auch wenn der/die Begleitete einen anderen Weg geht, als es den Vorstellungen des/der Begleiter/in entspricht. Keinesfalls sollte der/die Begleiter/in den/die Begleitete/n in irgendeiner Weise unter Druck setzen, ihn/sie zu etwas drängen, was sich nicht aus seinem/ihrem eigenen Weg mit Gott zeigt. Wo dies geschieht, wird die Grenze zum spiritualisierten Machtmissbrauch überschritten.

Dies bedeutet auch, dass die Beziehung zwischen dem/der Begleiter/in und dem/der Begleiteten nicht hierarchisch sein soll. Es ist ein Begleitgeschehen zwischen zwei erwachsenen Personen. Es geht um ein gegenseitiges Geben und Nehmen bzw. um ein gemeinsames Empfangen. Letztendlich kann diese Dreierbeziehung im Begleitgeschehen (Gott – Begleitete/r – Begleiter/in) für alle Seiten ein kostbares Geschenk sein. Es erfordert von dem/der Begleiter/in auch, sich in Demut einzuüben, geduldig zu sein, nichts erzwingen zu wollen und langsam wachsen zu lassen, was Gott im Menschen wirken will.

Die Aussage des anderen retten

Der/die Begleiter/in sollte sich immer darum bemühen, die Aussage des/der anderen zu retten und nicht zu verurteilen (EB 22). Es braucht ein „Verstehen-Wollen“ des/der anderen. In der Geistlichen Begleitung geht es nicht um ein Streitgespräch, in dem der/die eine den/die andere/n versucht, von der „Wahrheit“ zu überzeugen. Vielmehr steht das Erleben des/der Begleiteten im Mittelpunkt. Der/die Begleiter/in sollte sich darum bemühen, das Erleben des/der Begleiteten gut zu verstehen.  Dazu bedarf es bisweilen einer Nachfrage. Dies kann z.B. notwendig sein, wenn der/die Begleitete und der/die Begleiter/in unterschiedliche spirituelle Hintergründe haben, unterschiedliche Ausdrucksformen des Glaubens. Dann kann es z.B. notwendig sein, durch Nachfragen besser verstehen zu lernen, was gemeint ist, wenn jemand von einer bestimmten religiösen Erfahrung spricht.

Empathisches Zuhören und Akzeptanz

Im konkreten Begleitgeschehen ist zunächst das empathische Zuhören wichtig. Es geht nicht darum, dass der/die Begleiter/in lange Vorträge hält oder kluge Ratschläge gibt. Vielmehr soll das Erleben des/r Begleiteten im Mittelpunkt stehen. Der/die Begleitete kann sich durch das Erzählen im geschützten Raum der Geistlichen Begleitung manches Erlebte tiefer erschließen und sich mancher inneren Regungen bewusster werden. Dabei ist es zentral, dass sich der/die Begleitete angenommen und verstanden weiß. Dies erfordert vom/von der Begleiter/in eine wache Präsenz im Begleitgeschehen. Er/Sie sollte keine Wertungen vornehmen. Vielmehr sollte er/sie auf die Werte und Überzeugungen des/der Begleiteten eingehen. Der/die Begleiter/in sollte wachsam auf das Erleben des/der Begleiteten sein und ihn/sie dabei unterstützen, dieses innere Erleben tiefer zu erkennen und ausdrücken zu können. In einem solchen geschützten Raum kann es möglich werden, dass der/die Begleitete sich auch innerer Regungen gewahr wird und diese aussprechen kann, die er/sie vielleicht verdrängt hat oder mit denen er/sie sich schwertut, sie anzunehmen. Dies kann auch schmerzhaft sein. Zugleich kann es zutiefst heilsam sein, wenn dies in diesem geschützten Raum möglich sein kann und sich der/die Begleitete nicht verurteilt, sondern trotz und mit all dem angenommen weiß. Dies kann den Prozess der Selbstannahme fördern und für den/die Begleitete/n befreiend sein.

Echtheit

Wichtig in der Geistlichen Begleitung sind auch Echtheit und Transparenz. Die Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers kann auch in der Geistliche Begleitung sehr hilfreich sein. Dieser zufolge braucht es neben Empathie und Akzeptanz auch Kongruenz. Der/die Begleitete wird spüren, wenn das Sprechen und Verhalten des/der Begleiter/in nicht mit seinen/ihren inneren Einstellungen übereinstimmt. Dies kann den/die Begleitete/n daran hindern, in der Begleitung offen über sich zu sprechen. Wenn der/die Begleiter/in zu sehr in einem rein professionellen Rollenverhalten bleibt, kann dies die Begleitung behindern (Köster/Andriessen 66

Wo steht die andere Person?

Im Exerzitienbuch ist davon die Rede, dass der/die Begleiter/in beim Begleiten darauf achten sollte, wo der/die Begleitete gerade steht (EB 4, 9, 11). Die benannten Nummern gehen u.a. auf die Länge der einzelnen Wochen bei den Exerzitien und die Anwendung der Regeln der ersten bzw. zweiten Woche ein. Dies lässt sich nicht eins zu eins auf die Geistliche Begleitung übertragen. Der Grundgedanke, der sich darin verbirgt, dass es eine hohe Aufmerksamkeit dafür braucht, wo der/die Begleitete gerade steht, ist jedoch auch für die Geistliche Begleitung gültig. Die Lebens- und Glaubenswege sind individuell unterschiedlich. Je nach Lebensphase steht jede/r an einem anderen Entwicklungspunkt. Die Begleitung einer Person, die sich in der Tradition der katholischen Kirche verankert weiß, kann anders aussehen, als die Begleitung einer Person, die in einem agnostischen Umfeld aufgewachsen ist und sich neu für den christlichen Glauben interessiert. Ferner macht es einen Unterschied, ob der/die Begleiter/in eine/n Junge/n Erwachsene/n begleitet, der/die sich gerade die Frage nach der persönlichen Berufung stellt, oder ob der/die Begleiter/in eine Person begleitet, die einen langen, gereiften Glaubensweg mitbringt und auf diesem unterwegs ist. Und so ließen sich weitere Beispiele aufzählen.

Immer wieder sollte es um die Frage gehen, was die spezifische Person dabei unterstützen kann, die eigene Gottesbeziehung zu vertiefen und sein/ihr Leben daraus zu gestalten. Und dies kann je nach Person unterschiedlich sein. Ignatius schreibt in seinem Exerzitienbuch: „Die Übungen müssen je nach der Eignung derjenigen angewandt werden, die geistliche Übungen nehmen wollen […] damit nicht einem […] Dinge gegeben werden, die er nicht geruhsam tragen und mit denen er keinen Nutzen haben kann“ (EB 18a). Ignatius nimmt dabei konkret Bezug auf Alter, Bildung und Begabung. Es ließen sich weitere Aspekte benennen.

In der Geistlichen Begleitung kann beispielsweise immer wieder die Frage nach der „passenden“ Gebetsform für die begleitete Person auftauchen. Hierbei kann es hilfreich sein, wenn der/die Begleiter/in um verschiedene Gebetsformen weiß und offen dafür ist. Was für den/die eine/n hilfreich ist, kann für den/die andere/n eine Form sein, zu der er/sie keinen Zugang findet. So kann für eine Person die ignatianische Schriftbetrachtung hilfreich sein, für eine andere Person das kontemplative Gebet, für wieder eine andere Person das Rosenkranzgebet und für die nächste ein Körpergebet. Die für eine Person weiterführenden Gebetsformen können sich auch im Laufe des Lebens verändern. So sollte der/die Begleiter/in um eine Vielfalt an Zugängen wissen und ein Gespür dafür haben, was dem jeweiligen Gegenüber entspricht, bzw. mit ihm/ihr gemeinsam suchen, was für ihn/sie hilfreich ist.

Im Zusammenhang mit der Frage, wo der/die Begleitete gerade steht, kann auch der Blick auf das Gottesbild auftauchen. Bisweilen kann der/die Begleitete ein bedrohliches und angstmachendes Gottesbild mitbringen, das auch unbewusst das eigene Erleben stark beeinflussen kann. So kann beispielsweise das Bild von einem Gott, der Leistung fordert, der alles überwacht und bestraft vorherrschen. In diesem Fall kann es wichtig sein, den/die Begleitete/n dabei zu unterstützen, sich aus solchen beängstigenden Gottesbildern zu lösen und zu einem barmherzigen und befreienden Gottesbild zu finden. Die Orientierung an Erzählungen aus den Evangelien kann dabei hilfreich sein. So können etwa die Bilder von Gott als dem Guten Hirten, vom Gott, der Leben in Fülle verheißt, oder von Gott, der wie der barmherzige Vater die Menschen liebevoll mit ausgebreiteten Armen empfängt eine befreiende Botschaft in entsprechend einengende Gottesbilder bringen. Der Blick auf das eigene Gottesbild kann grundlegend für den weiteren geistlichen Weg sein.

Fokus auf innere Regungen – Unterscheidung der Geister

Beim Zuhören sollte der Fokus auf den inneren Regungen des/der Begleiteten liegen. Bisweilen kann es sein, dass der/die Begleitete viel erzählt, was er/sie „äußerlich“ erlebt hat. Dann kann es Aufgabe des/der Begleiter/in sein, den/die Begleitete/n dabei zu unterstützen, den Blick auch auf das innere Erleben zu richten. Welche Gefühle und tieferen inneren Regungen hat der/die Begleitete bei all dem erlebt? Es kann vorkommen, dass es dem/der Begleiteten in manchen Punkten schwerfallen kann, manches direkt offen anzusprechen. Manches wird er/sie vielleicht in einem Nebensatz andeuten. Hier braucht es ein gutes Gespür in der Gesprächsführung, um dem/der Begleiteten einerseits zu signalisieren, dass der/die Begleiter/in ganz präsent ist und erahnt, dass sich hinter einer Andeutung noch mehr verbergen kann und den/die Begleitete/n einzuladen, hier noch genauer hinzuschauen. Andererseits ist es wichtig, achtsam darauf zu sein, den/die Begleitete/n nicht unter Druck zu setzen und ihm/ihr alle Freiheit zu lassen so viel zu erzählen, wie er/sie einbringen möchte und ihn/sie nicht zu drängen, etwas preiszugeben, was er/sie nicht möchte.

Der Blick auf die inneren Regungen kann Grundlage für die Unterscheidung der Geister (EB 313-336) sein. Die Unterscheidung der Geister kann dabei helfen, besser zu erkennen, welche inneren Regungen zu mehr Leben, mehr innerer Freiheit, mehr Glaube, Liebe und Hoffnung führen und diesen zu folgen und sich entsprechend von den gegenteiligen inneren Regungen besser distanzieren und diese besser von sich weisen zu können.

Ignatius spricht in seiner Sprache vom „Feind der menschlichen Natur“ (EB 7), der durch die „Versuchung unter dem Anschein des Guten“ versucht, den Menschen vom Weg des Lebens, vom Weg, zu dem Gott einlädt, abzubringen. Das eigentliche Erkennen und Entscheiden bzgl. der „Versuchungen unter dem Anschein des Guten“ liegt beim/bei der Begleiteten. Der/die Begleiter/in kann in der Begleitung jedoch einen Raum anbieten, in dem der/die Begleitete in aller Freiheit, Offenheit und Ehrlichkeit die eigenen inneren Regungen anschauen kann und so auch manchen „Versuchungen unter dem Anschein des Guten“ auf die Spur kommen kann. Der/die Begleiter/in kann dabei eigene Wahrnehmungen zur Verfügung stellen. Dieses Spiegeln des Gehörten kann helfen, manches zu erkennen und mehr Klarheit zu gewinnen. Gleichzeitig sollte jedoch darauf geachtet werden, ob der/die Begleitete selbst diesen Resonanzraum nutzen möchte oder nicht und dass die Deutungshoheit bei dem/der Begleiteten selbst bleibt und dass dem/der Begleiteten keine Deutungen des/der Begleiter/in aufgezwängt werden. Bereits das Aussprechen entsprechender „Versuchungen“ kann dem/der Begleiteten helfen, sich ihnen entgegen zu stellen. Bereits durch das Aussprechen dieser „Versuchungen“ kann ihnen bisweilen etwas von ihrer „Wirkmacht“ genommen werden.

Achtsamkeit auf Übertragung und Gegenübertragung

Bei aller Achtsamkeit auf die inneren Regungen des anderen, ist es auch wichtig, dass der/die Begleiter/in auf die eigenen inneren Regungen aufmerksam ist. Eigene Erfahrungen können einen starken Einfluss darauf haben, was das Gehörte im/in der Begleiter/in auslöst und wie er/sie es einordnet. Es kann leicht vorkommen, dass dem/der Begleiter/in eine Erfahrung bekannt vorkommt und er/sie aus der eigenen Erfahrung heraus reagiert. Es kann jedoch sein, dass der/die Begleitete eine ähnliche Situation anders wahrnimmt bzw. für ihn/sie eine andere Botschaft in einer Situation liegt. Um Übertragung und Gegenübertragung möglichst zu vermeiden, bedarf es einer großen Achtsamkeit und Selbstreflexion. Die Aufmerksamkeit auf entsprechende Tendenzen während des Begleitgeschehen, die Selbstreflexion im Anschluss an das Begleitgespräch, sowie regelmäßige Intervision oder Supervision können helfen, um dieses Risiko zu reduzieren bzw. sich selbst „auf die Schliche“ zu kommen.

Konkrete Interventionen

Ignatius gibt in seinem Exerzitienbuch einige Hinweise bzgl. der konkreten Interventionen des Begleiters/der Begleiterin. Bei Exerzitien ist es üblich, dass der/die Begleiter/in dem/der Begleiteten Stellen aus der Bibel zur Betrachtung mitgibt. Kurze Hinweise zu der Stelle können dazu hinführen, welcher Aspekt bei der Betrachtung der Stelle in den Fokus genommen werden kann, welcher Sinngehalt in der aktuellen Situation ggf. weiterführend sein könnte. Dabei schreibt Ignatius, dass es nicht darum geht, dass der/die Begleiter/in lange Vorträge zu der Stelle hält. Vielmehr geht es darum, dass der/die Begleitete selbst die Dinge innerlich verspürt und schmeckt und sich so deren Sinn für sein/ihr persönliches Leben in der aktuellen Situation erschließt (EB 2) – auch wenn dieser ggf. von dem vom/von der Begleiter/in eingeleiteten Sinn abweicht. Auch in der Geistlichen Begleitung kann es hilfreich sein, immer wieder auch biblische Bezüge herzustellen und eigene Lebenserfahrungen etwa mit dem Leben Jesu in Verbindung zu bringen. Auch hier geht es darum, als Begleiter/in mögliche weiterführende Bibelstellen anzubieten und kurz zu erläutern, wo ein Zusammenhang zum Gesprächsinhalt gesehen wird. Was davon den/die Begleitete/n anspricht, was er/sie aufgreift und selbst vertieft oder aber fallen lässt, liegt in der Freiheit des/der Begleiteten.

Ermutigung

In den Exerzitien wie auch im geistlichen Leben insgesamt kann es sehr reiche, lebendige Etappen geben und es kann Zeiten von Dürre und Trockenheit geben. In letzteren kann es für den/die Begleitete/n sehr mühsam sein, durchzuhalten und am eigenen geistlichen Weg dran zu bleiben. Aufgabe des Begleiters/der Begleiterin in solchen schwierigen Etappen ist es dann, zum Durchhalten zu ermutigen und den/die Begleitete/n dabei zu unterstützen, in Treue den eigenen geistlichen Weg weiterzugehen. Ignatius schreibt dazu in seinem Exerzitienbuch: „Wenn [der/die Begleiter/in] sieht, dass sich der Übende in Trostlosigkeit und Versuchung befindet, so benehme er sich nicht hart und rau gegen ihn, sondern mild und sanft, indem er ihm für das Kommende Mut und Kraft verleiht“ (EB 7).

Nachfragen

In Bezug auf die Exerzitien heißt es im Exerzitienbuch, dass der/die Begleiter/in nachfragen soll, wenn kein innerer Prozess in Gang zu kommen scheint (EB 6). Auch im sonstigen geistlichen Leben kann es solche Phasen geben, in denen die Gottesbeziehung in den Hintergrund zu rücken scheint und der/die Begleitete kaum mehr explizit geistliche Themen in die Geistliche Begleitung einbringt. Bisweilen kann es sein, dass dem/der Begleiteten diese Leere noch nicht so deutlich bewusst ist. Manchmal kann es auch sein, dass diese Trockenheit dem/der Begleiteten bewusst ist, es ihm/ihr aber etwa aus einem Schamgefühl heraus nicht gelingt, es offen anzusprechen. Gerade im Umgang mit Scham braucht es ein gutes Gespür und viel Sensibilität. Gleichzeitig kann es etwas Befreiendes sein, wenn der/die Begleiter/in auf der Grundlage einer Vertrauensbeziehung die wahrgenommene Leere offen ansprechen kann und so eine Brücke baut, um sich der Situation offen zu stellen und ihr aktiv zu begegnen.

Konfrontation

Das Exerzitienbuch spricht auch davon, dass bisweilen eine Konfrontation notwendig sein kann und dass es auch darum gehen kann, Einsichten zu vermitteln (vgl. EB 22). Sicherlich geht es in der Geistlichen Begleitung nicht um ein Streitgespräch. Vielmehr sollte das aktive Zuhören, das dem/der Begleiteten dabei hilft, sich selbst die tieferen inneren Regungen zu erschließen und Klarheit darüber zu gewinnen, in welche Richtung sie weisen, im Vordergrund stehen. Zunächst steht im Vordergrund, dass sich der/die Begleitete selbst die Wachstumsschritte erschließt. Und dies erfordert vom/von der Begleiter/in bisweilen viel Geduld. Dennoch kann es bisweilen auch ein Dienst am/an der Begleiteten sein, ihn/sie auch mit einer kritischen Wahrnehmung zu konfrontieren. Dabei sollte es keinesfalls darum gehen, den/die andere schlecht zu machen, sondern ihm/ihr vielmehr beim Wachstum zu helfen. Es kann Situationen geben, in denen eine entsprechende Rückmeldung – auf der Grundlage eines Vertrauensverhältnisses – dem/der Begleiteten zu einer wichtigen Erkenntnis helfen können. Dabei ist immer die Freiheit zu wahren, dass der/die Begleitete das annehmen kann, was er/sie annehmen kann und will.

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