Wenn Menschen entdecken, dass wirklich ist, was sie schon lange glauben,  geschehen kleine Wunder, heilige Zeiten breiten sich aus. Gottes Lieblingskinder staunen dann gemeinsam über seine Liebe. “Ich bin gemeint” – das zu üben, wird zum Schlüssel. Erfahren verändert.

 

 

Lieblingskinder

Beitrag von Martina Patenge – Photo: Myriams-Fotos/pixabay.com

 

„Ich kann es immer noch nicht glauben“ sagt die Frau in der Gebetsgruppe. „Da hat doch wirklich einer zu mir gesagt: Du bist auch Gottes Lieblingstochter.“ Die andern rühren sich nicht. Sie warten.   „Gottes Lieblingstochter“, wiederholt sie langsam, verkostet jede Silbe. „Das kann ich kaum glauben. Aber es ist so schön. Es lässt mich seither nicht los“. Im Kreis bleibt es lange still. Dann erst sagt jemand: „Ja.“ Schließlich meint eine andere: „Wir alle sind doch Gottes Lieblingskinder“. Ein heiliger Moment.

Aber – in der Gruppe macht sich Unruhe breit. Denn dieser heilige Moment wird schnell eingeholt von all den inneren Fragen und Zweifeln. Von all den anderen, bei einigen Frauen so ganz anderen Erfahrungen. „Lieblingskind“ – ach, das haben nur wenige zu Hause erfahren dürfen. Und überhaupt, so darf man doch nicht von sich denken!  Da kommen alte Erfahrungen in die Quere. Lebensgeschichten, in denen das einzelne Kind in der großen Familie eher unterging. Lebensgeschichten, in denen die Zukunft der Töchter von strengen Vätern und Konventionen, oft auch älteren Brüdern  bestimmt wurde. Als „Lieblingskind“ haben sich die wenigsten hier im Raum je einmal erleben dürfen.

Wir spüren dem Wort nach. Lieblingstöchter und Lieblingssöhne gibt es gerne in Märchen. Sie werden von Vater und Mutter mit Liebe überschüttet und behütet wie ein Augapfel. Lieblingskinder liegen ihren Eltern am Herzen. Und sie werden gesegnet mit den besten Wünschen.

Ein lautloser Seufzer geht durch den Raum. Ach, was für eine schöne Vorstellung. Ach, wie unerreichbar für einige….ach. Die Energie schwindet sichtbar aus dem Raum.

Diese Frauen kennen alle das Bibelwort: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein“, (Jes 43,1)das uns an diesem Tag leitet. Aber – so richtig glauben möchte es keine. Oder kann es keine? Was ist schief gelaufen? In einer Zeit, in der freundliche Gottesbilder vermittelt wurden? In der Lieder und Gebete – für die, die wie diese Frauen noch regelmäßig Gottesdienste besuchen – vom heilenden, liebenden Gott sprechen? In einer Zeit, in der Kirche sich (eher) menschlicher und zugänglicher zeigt als je zuvor?  Und genau da soviel Zweifel und so wenig Hoffnung?

Da Klagen nichts hilft, lade ich zu einer Übung ein. Jede geht mit dem Bibelwort schweigend eine Zeitlang um. Lesen, schreiben, malen – hören und fühlen.  Und mit Gott ins Gespräch kommen. „Ich bin gemeint.“  Weil dieser Satz auch mir gesagt ist….Weil auch ich diese Worte hören darf….

Es werden starke gemeinsame Stunden. Nachdenkliche, schweigende, betende Menschen sind jetzt zusammen. Sie haben das biblische Wort „gekannt“. Jetzt haben sie es „erfahren“. Haben erspürt, was es bedeutet, Lieblingskind Gottes zu sein. Erfahren wirkt tiefer. Erfahren verändert!

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