In diesem Beitrag werden zehn verschiedene Verfahren beschrieben, die in allen kirchlichen Gruppen und Gremien eingesetzt werden können, um spirituelle Entwicklungsprozesse zu unterstützen. Die Verfahren werden zusätzlich daraufhin untersucht, ob und wie sie in Telefon- und Videokonferenzen eingesetzt werden können

Vorgehensweisen für geistliche Prozesse der Kirchenentwicklung

(In blauer Schrift Hinweise für das Vorgehen in Telefon- und Videokonferenzen)

Text: Dr. Peter Hundertmark und DDr. Igna Kramp CJ – Photo: Vitamin/pixabay.com

Dieses Dokument ist als Hilfe für die Initiation und Begleitung geistlicher Prozesse in der Kirchenentwicklung gedacht. Zu diesem Zweck darf es frei kopiert, digital verschickt und weiterverwendet werden. Rückmeldungen und Nachfragen gerne an phu.speyer@gmail.com oder kramp@tpi-mainz.de

O. Einführung

In den letzten zehn Jahren sind eine Reihe von Verfahren entwickelt und erprobt worden, die von kirchlichen Gremien eingesetzt werden können, die ihre Arbeit als geistlichen Prozess gestalten möchten. Alle diese Verfahren können alleine oder in verschiedenen Kombinationen mit anderen Verfahren der Kirchenentwicklung und Gemeindeberatung eingesetzt werden.

Alle spirituellen Verfahren erfordern es, dass eine Person mit der Anleitung beauftragt wird.

Bei Telefon- und Videokonferenzen ist diese Aufgabe umfangreicher, da eine stärkere Steuerung benötigt wird, um reibungslose Abläufe über digitale Medien zu gewährleisten. So müssen bei Anhörkreisen beispielsweise gerade bei Telefonkonferenzen alle Teilnehmer·innen nacheinander gebeten werden, sich einzubringen.

Häufig kann diese Funktion intern besetzt werden. In den einfachen Verfahren kann diese Aufgabe auch bei jeder Sitzung einer anderen Person übertragen werden. In der Regel sollte die Aufgabe der spirituellen Unterstützung nicht bei der Person sein, die für die inhaltliche Arbeit dieser Sitzung die Hauptverantwortung trägt.

Auch in digitalen Konferenzen sollte eine „Ankommrunde“ nicht ausgelassen werden. Zuerst müssen die Mitarbeitenden einander „zu Mitmenschen werden“, das heißt in ihrer aktuellen Stimmung Verfassung für einander fühlbar werden.
Bei Arbeitsgruppen, die länger an einem Thema zusammenarbeiten, hat es sich bewährt, das Ankommen in zwei Anhörkreise zu teilen: „Wie bin ich jetzt da?; Was beschäftigt mich?; Was liegt oben auf? – und: „Was liegt fachlich an? Welche Erfahrungen und Einsichten habe ich in der Zwischenzeit gesammelt?; Welches Thema oder welche Vorgehensweise will ich für heute anmelden? Unter digitalen Bedingungen muss eventuell eine engere Zeitbegrenzung für die Beiträge der Einzelnen vorgegeben werden.

  1. Innehalten

Dieses Verfahren ist sehr einfach und kann ohne Vorbereitung in jedem Gremium eingesetzt werden.

Vereinbart wird, dass ganz formal nach einer bestimmten Anzahl von Redebeiträgen – drei bis fünf – ein Innehalten eingeschoben wird. Dabei handelt es sich um eine Stille, die etwa so lange dauert, wie ein durchschnittlicher Redebeitrag, aber nicht kürzer als zwei Minuten.

Bei Telefonkonferenzen sind gemeinsame Zeiten der Stille schwieriger. Eine Minute muss jetzt meistens genügen. Ein akustisches Signal, das Anfang und Ende markiert, macht es vielen Menschen leichter, das Innehalten als Ritual zu erlernen. Bei Videokonferenzen kann das Innehalten in gleicher Weise wie bei physischen Treffen durchgeführt werden.  Man kann vereinbaren, sich für eine bestimmte Anzahl von Minuten stumm zu schalten und dann wieder ins Gespräch zurückzukehren.

Das Innehalten dient dem Nachdenken und der Verarbeitung. Es entlastet davon, beim Zuhören schon den eigenen Beitrag entwickeln zu müssen und intensiviert so das Hören und das Sprechen.

Die Erfahrung zeigt, dass durch dieses ritualisierte Innehalten Sitzungen eher rascher vorangehen als sonst. Es wird also entgegen der naheliegenden Vermutung des Mehraufwands nicht mehr Zeit benötigt.

Ein Gremium, das schon einige Erfahrung mit dem Innehalten gemacht hat, kann auch gebeten werden, die Zeit des Innehaltens zu nutzen, um Gott zu „fragen“ – die Zeit also für ein „betendes Denken“ zu nutzen. Was in der Stille geschieht, wird nicht ausgesprochen. Auf diese Weise ist es vielen möglich, sich auf dieses betende Nachdenken einzulassen. Die Atmosphäre der Beratung verändert sich aber merklich, wenn sich viele aus dem Gremium darauf einlassen.

2. Vorbereitende Stille

Dieses Verfahren eignet sich für Gremien, die schon ein wenig Erfahrung mit Innehalten und betendem Denken gemacht haben.

Die Sitzung wird eröffnet und die Tagesordnungspunkte vorgestellt. Eventuell braucht es eine Phase der Rückfragen, damit alle verstanden haben, was heute anliegt. Dann wird für eine Stille unterbrochen. Für diese Stille werden wenigstens fünf Minuten benötigt.

Diese Vorgehensweise eignet sich so nicht für Telefonkonferenzen. Hier hat es Sinn, die Tagesordnung vorab zu verschicken und zu vereinbaren, dass die gemeinsame Arbeit nach Möglichkeit fünf bis 10 Minuten vor der Telefonkonferenz durch eine individuell gestaltete Stille der inneren (betenden) Vorbereitung begonnen wird. Die Telefonkonferenz kann dann mit einem Gebet beginnen. Dieses wird in der Regel von der begleitenden Person gesprochen. In Videokonferenzen kann man wie bei direkten Treffen oder auch wie bei Telefonkonferenzen vorgehen.

Die Mitglieder werden gebeten, sich innerlich auf Gott auszurichten, der jetzt mitten unter ihnen ist und ihre Herzen und ihr Denken zum Guten für die Menschen und die Erde bewegen will. Sie können dann hinspüren, wie sie momentan innerlich gestimmt sind beziehungsweise welche Emotionen die anliegenden Themen in ihnen auslösen. Abschließend können die Mitglieder in Stille um den Beistand des Heiligen Geistes bitten, oder diese Bitte wird von der anleitenden Person laut formuliert. Aus der stillen Zeit wird nichts unmittelbar mitgeteilt. Es verändert aber das Arbeiten, wenn jede·r sich den eigenen inneren Bewegungen bewusst ist und dies in die Entscheidungsprozesse für sich persönlich mit einbezieht.

3. Unterbrechen

Dieses Verfahren ist sehr einfach und kann ohne Vorbereitung in jedem Gremium eingesetzt werden.

Wann immer bei einer Beratung zu einem Tagesordnungspunkt alle Argumente auf dem Tisch liegen, oder wenn sich die Diskussion beginnt im Kreis zu drehen oder emotional aufzuschaukeln, wird die Sitzung für einige Minuten unterbrochen. Die Mitglieder des Gremiums bleiben auf ihren Plätzen. Die Unterbrechung ist keine Pause, sondern ein Arbeitsschritt! Ein oder zwei Fragen, die eher auf die affektive Ebene zielen beziehungsweise die persönliche Verbindung ins Thema ansprechen, können hilfreich sein: „Wo bin ich gerade…?“, „Welche Stimmungen sind jetzt in mir, wenn wir das … diskutieren?“ „Was sollten wir auf jeden Fall beachten?“

Bei Videokonferenzen kann diese Vorgehensweise ebenfalls durchgeführt werden. Eventuell hilft es für die Konzentration, wenn die Video- und Audiofunktionen oder nur die Audiofunktion für diese Zeit ausgeschaltet werden, ohne dass die Konferenz an sich verlassen wird. Der Anhörkreis muss in der Regel moderiert werden. Bei Telefonkonferenzen ist eine längere Unterbrechung schwierig.Wenn diese Vorgehensweise genutzt werden soll, bietet es sich an, die Unterbrechung zwischen zwei Telefonkonferenzen anzusetzen bzw. zu verabreden, für eine kurze Zeit aufzulegen und dann wieder ein neues Gespräch zu beginnen.

Nach der Unterbrechung werden alle Mitglieder in einem raschen Anhörkreis gebeten, etwas zu dem zu sagen, was ihnen in der Zeit der Unterbrechung wichtig geworden ist. Der Anhörkreis beginnt nie bei den Hauptredner·innen oder den Verantwortlichen. Im Anhörkreis spricht jede·r nur über sich und die eigenen Eindrücke. Andere Beiträge werden nicht kommentiert. Jede·r kann sprechen, niemand muss. Die anleitende Person versucht eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle Mitglieder eingeladen und ermutigt fühlen, sich einzubringen.

Nach dem Anhörkreis gibt die anleitende Person das Wort an die Person mit der Hauptverantwortung und bittet, die Situation und den Stand der Debatte einzuschätzen: „Wo stehen wir jetzt?“, „Was ergibt sich daraus für unser Thema?“

Variante I:

Manchmal wird im Anhörkreis deutlich, dass emotionale Blockaden oder Beziehungsstörungen verhindern, dass die Sacharbeit vorankommt. Entsprechend dem Grundsatz der Themenzentrierten Interaktion haben solche Störungen immer Vorrang. Sie anzusprechen und miteinander zu bearbeiten, ist wesentlich dafür, gute gemeinsame Ergebnisse zu erzielen. Störungen zu bearbeiten ist keine Zeitverschwendung. Wird es nicht gemacht, verhindern die Widerstände und Beziehungsprobleme nach der Entscheidung die Umsetzung und es wird insgesamt mehr Zeit und Energie benötigt.

In digitalen Konferenzen sind Störungen oft schwerer zu erkennen, da sich Teilnehmende stärker zurücknehmen können und der körperliche Eindruck fehlt oder reduziert ist. Es lohnt deshalb, als Regel zu vereinbaren, dass alle möglichst rasch eine Störung, die sie bei sich oder im Fluss des Geschehens wahrnehmen anmelden. Zusätzlich kann es hilfreich sein, in regelmäßigen Abständen zu unterbrechen und explizit nach Störungen zu fragen.
Die Gefahr ist sonst, dass die Teilnehmer·innen miteinander dauerhaft auf einer Ebene bleiben, die der Fundament-Phase der Exerzitien entspricht. Sie kommen dann nicht in eine erprobte und durch eine Krise vertiefte Beziehung miteinander, die auch dann trägt, wenn die Meinungsunterschiede deutlicher zu Tage treten. Konflikte sollte man nie vermeiden und unter den Teppich kehren – in der Sondersituation geistlichen Arbeitens über digitale Medien jedoch noch weniger. Andernfalls droht eine Entwicklungsverzögerung zu Lasten der gemeinsamen Aufgabe.

Sind wahrscheinlich Störungen im Raum, formuliert die anleitende Person ihren Eindruck. Dabei ist es wichtig, mit der Formulierung keine Partei zu ergreifen. Emotionale Blockaden, Widerstände, Beziehungsstörungen etc.  sind etwas Normales. Mehr noch, es zeigt, dass die Mitglieder engagiert sind und Energie in die Arbeit einbringen. Es gilt nun diese Energie, die im Moment gebunden ist, für die gemeinsame Aufgabe wieder ins Fließen zu bringen.

Das Wort geht dann nacheinander – in ausgewogener Redezeit – an die Hauptprotagonisten der Störung. In sehr aufgeladenen Situationen kann es hilfreich sein, zuvor in einem weiteren Moment der Stille alle Mitglieder zu bitten, innerlich um wertschätzende Kommunikation und ein Gelingen des nächsten Schrittes zu bitten. Die anleitende Person spricht die Protagonisten so deutlich wie möglich auf ihre affektive Beteiligung an. Nicht Sachthemen sind jetzt dran, sondern persönliche Empfindungen. Nach deren Redebeiträgen kann es sinnvoll sein, die anderen Mitglieder um Unterstützung zu bitten. Auch hier wird das affektive Erleben angesprochen: „Wie erleben sie, was gerade geschieht?“ Das Gespräch über die Störung endet erst, wenn alle den Eindruck haben, dass die Energie wieder in die Sacharbeit gehen kann. Meist ist dann aber erst einmal eine Pause erforderlich.

In digitalen Konferenzen scheint auf den ersten Blick nicht genügend Zeit für solche Vorgehensweisen zu sein. Dennoch hat es keinen Sinn, Störungen auf der affektiven Ebene zu übergehen. Das Gremium ist dann nicht arbeitsfähig und produziert Rationalisierungen, die sich in der Regel hinterher wenig geerdet und praxistauglich zeigen. Das Gegenteil ist also richtig: Gerade weil in digitalen Konferenzen die Pausenzeiten wegfallen, in denen sonst ganz viel „Beziehungsarbeit“ nebenbei geleistet wird, müssen die Beziehungsklärungen in den Arbeitsablauf integriert werden.

Tiefergreifende Störungen können mit den Methoden der Gewaltfreien Kommunikation angegangen werden. Hierfür ist aber eine Ausbildung der Anleitenden erforderlich.

Variante II:

Wenn sich im Sachgespräch gezeigt hat, dass es mehrere möglicherweise gute Alternativen gibt, aber die Entscheidung wegen der Unsicherheit künftiger Entwicklungen nicht auf der Hand liegt, kann die Unterbrechung auch für eine kurze Unterscheidung der Geister genutzt werden.

Dann wird das folgende Kriterium der Unterscheidung eingeführt: „Welche Alternative scheint mir eher in Richtung eines Mehr an Leben, Freiheit und Mündigkeit, eines Mehr an Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden, eines Mehr an Glaube, Liebe und Hoffnung… zu gehen?“ Die Unterbrechung wird dann etwas länger angesetzt – wenigstens zehn Minuten –, damit alle genügend Zeit haben, in sich ein inneres Gespür für dieses Kriterium zu entwickeln.

Digitale Konferenzen müssen für diesen Schritt in der Regel unterbrochen werden. Manchmal lassen sich andere Tagesordnungspunkte vorziehen. Dann bietet es sich an, dass die möglichen guten Alternativen verschriftlicht und allen zugesandt werden. Mit beigegeben wird die Anleitung für die Unterscheidung der Geister mit der Bitte, sich in einem vorgegebenen Zeitraum die angegebene Unterbrechung selbst zu organisieren. Dabei gilt: Wer die betend horchende Unterbrechung nicht hält, kann dann im nächsten Schritt nicht in gleicher Weise geistlich Qualifiziertes einbringen. Da es aber gute Gründe geben kann, weshalb die Unterbrechung nicht gehalten werden konnte, hat es Sinn, zu Beginn der nächsten digitalen Konferenz offen zu legen, wer mit welchen Voraussetzungen wieder in das Geschehen eintritt. Dabei ist eine wohlwollende Atmosphäre vorausgesetzt und das Ziel im Blick, zu einer guten Unterscheidung zu kommen. Es geht nicht um Kontrolle.

Als nächster Schritt wird dann in gleicher Weise wie beim direkten Treffen ein Anhörkreis gehalten. Wenn Menschen es gewohnt sind, auch persönliche geistliche Erfahrungen zu verschriftlichen, kann dieser erste Anhörkreis auch in einen Mailaustausch verlegt werden.  Die Mitglieder werden bei diesem Schritt eingeladen, insbesondere auf das Kriterium der Unterscheidung der Geister Bezug zu nehmen. Häufig führt dieser Schritt bereits zu einem breiten Konsens. Wenn sich aber zeigt, dass weiterhin mehrere Alternativen mit guten Gründen und einer Wahrscheinlichkeit, dem Kriterium für die Unterscheidung der Geister zu entsprechen, im Raum sind, folgt eine zweite Unterbrechung und ein zweiter Anhörkreis.

Die anleitende Person bittet, noch einmal nach innen und nach „oben“, auf das Wirken des Geistes Gottes jetzt hier unter uns, hinzuspüren. „Wenn ich jetzt die anderen gehört habe, scheint mir…“, „Das Gute für alle in unserer Frage, könnte eher in dieser Richtung erreicht werden…“, „Ganz gleich, wie wir uns entscheiden, sollten wir unbedingt beachten…“.

Der zweite Anhörkreis sollte unbedingt innerhalb der Telefon- oder Videokonferenz stattfinden.  Auch wenn es Entscheidungsprozesse über digitale Medien verzögert, ist diese zweite Runde unabdingbar, denn meist entsteht erst jetzt eine Bewegung hin auf eine gemeinsinnige Entscheidung.

Abschließend formuliert die anleitende Person nach dem ersten oder zweiten Anhörkreis ihren Eindruck vom Konsens und bietet ihn dem oder der Hauptverantwortlichen an. Diese·r wird gebeten, dazu Stellung zu nehmen.

4. Bibelteilen

Bibelteilen erfordert keine Voraussetzungen bei den Teilnehmenden und kann von jedem von ihnen angeleitet werden.

Bibelteilen eignet sich auch für Telefonkonferenzen. Der klassische Ablauf muss dafür nicht variiert werden. Es folgen auch digital folgende Schritte aufeinander:

  1. Gebet zur Eröffnung
  2. Der Schrifttext wird zweimal vorgelesen
  3. Echo – Teilnehmende wiederholen in einer meditativen Atmosphäre und freier Abfolge ein  Wort oder einen Satzteil
  4. Einige Minuten Stille
  5. Die Teilnehmenden formulieren Eindrücke zum Text und verbinden ihn mit ihrer Lebenswelt
  6. „Im Licht“ der Heiligen Schrift gehen die Teilnehmenden an ihre gemeinsame Aufgabe, die besprochen werden soll
  7. Abschließendes freies Beten – durch die anleitende Person oder Teilnehmer·innen

Vielleicht braucht es eine etwas aktivere Moderation, die die Einzelnen einlädt, sich mit Wortbeiträgen zu beteiligen. Dabei ist selbstverständlich immer zu respektieren, wenn einzelne Teilnehmer·innen sich zu einem Schritt nicht beteiligen möchten. Unter den Bedingungen digitaler Konferenzen wird es meist jedoch nötig sein, das Nicht-Beteiligen-Wollen verbal zu signalisieren.

Es hat in diesem Fall Sinn, dass alle den biblischen Text an ihrem Ort vor sich haben. Dennoch sollte er zweimal vorgelesen werden, damit der orale Charakter des Bibelteilens nicht verloren geht. In Videokonferenzen kann der Bibeltext auch über die Funktion „Meinen Bildschirm teilen“ von Seiten der Moderation eingeblendet werden. Dabei ist zu bedenken, dass dies nur möglich ist, wenn alle Teilnehmenden der Konferenz am PC mit dabei sind. Nehmen sie dagegen mit Smartphone teil, ist der Text in ihrem Display in der Regel zu klein.

Bei einer Videokonferenz mit mehr als 6-8 Personen ist es möglicherweise sinnvoll, sich – vor allem für Schritt 5 des Bibelteilens – in Kleingruppen aufzuteilen. Dann braucht es im Plenum noch einen kurzen Anhörkreis (Blitzlicht) mit allen, um die Dynamik wieder zusammenzuführen und wichtige Impulse mit allen zu teilen.

 Das Hilfswerk „Missio“ stellt gute Materialien, Karten mit den Anleitungsschritten und für mögliche Varianten zur Verfügung. Bibelteilen ist ein Großgruppenverfahren und kann auch in Gremien mit zwanzig und mehr Mitgliedern eingesetzt werden. In den einzelnen Schritten können jeweils einige Personen sprechen, aber nicht immer alle. Wenn in einem Gremium traditionell einige wenige Personen immer das Wort ergreifen, während andere kaum sich verbal einbringen, kann es notwendig sein, das anzusprechen und vor allem die eher Schweigsamen zu ermutigen, sich einzubringen.

Bibelteilen (Schritte 1 – 5) als Element einer operativen Sitzung sollte eine Dauer von zwanzig bis maximal dreißig Minuten nicht überschreiten. Die Erfahrung zeigt, dass auch durch diese Investition keine Sitzungszeit verloren geht. Die Sitzung dauert nicht länger. Die zu Verfügung stehende Zeit wird in der Regel effizienter genutzt.

Bibelteilen wird in diesem Kontext nicht primär zur spirituellen Vertiefung und zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem biblischen Text eingesetzt, sondern dient dazu, die Überlegungen zur operativen Arbeit in das Licht des Wortes Gottes zu rücken. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Lösung für die anstehenden Fragen nicht im Bibeltext steht. Der Text wird weder funktionalisiert, noch integristisch genutzt, um bestimmte Ideen zu sakralisieren. Die konkrete Bibelstelle sollte deshalb nicht mit Bezug auf die Themenstellung ausgesucht werden. Eine gute Lösung kann das Tagesevangelium, wie es die liturgische Leseordnung vorsieht, sein. Eine Gruppe kann aber vorab auch eine Reihenlesung oder ein anderes Verfahren vereinbaren. Wichtig ist an dieser Stelle, dass nicht von Seiten der Moderation ein Text auf die Situation hin ausgewählt wird.

Zusätzlich zu den Anleitungen von „Missio“ hat sich bewährt, die Bibel in die Mitte der Versammlung zu legen und während der ganzen Sitzung dort liegen zu lassen. Symbolisch drückt das aus, dass das Gremium sich um das Wort Gottes versammelt und sich immer wieder von da her inspirieren lassen will.

Auch bei einer digitalen Konferenz können die Teilnehmenden eine Bibel in ihr Sichtfeld legen. Damit wird symbolisch deutlich, dass sich das Gremium auch dann um die Heilige Schrift versammelt, wenn es digitale Medien nutzt.   

Die Echo-Phase kann mit dem Hinweis eingeleitet werden, dass es darum geht, sich das Evangelium gegenseitig noch einmal zu schenken. Diese Phase und die anschließende Stille dienen dazu, dass das Wort Gottes in den Einzelnen „Wurzeln schlagen“ kann. Der fünfte Schritt – Eindrücke zum Text formulieren und Text und Lebenswelt verbinden – ängstigt manche Menschen, weil sie das Gefühl haben, nichts Kluges zu einem biblischen Text sagen zu können. Diese Schwelle kann gesenkt werden, wenn ausdrücklich nur um „Eindrücke zum Text“ gebeten wird. Dann ist klar, dass niemand den Text sachgerecht auslegen muss, weil es nur darum geht, in dieser Etappe den Text mit dem eigenen Leben, dem eigenen Verstehen und der eigenen Lebenswelt zu verbinden. Einen Eindruck hat jede·r und kann darüber auch sprechen.

Der sechste Schritt des Bibelteilens ist die operative Arbeit und die Tagesordnung. Die ganze Sitzung ist also Teil des Bibelteilens. Manchmal gelingt es, etwas von der meditativen Stimmung der ersten fünf Schritte in die Arbeit des Gremiums weiterzutragen.

Bibelteilen endet mit einem Moment des Gebetes. Dieses steht am Ende der Sitzung. Es kann als Zeit der Stille oder des freien ausgesprochenen Betens gestaltet werden. Das abschließende Gebet sollte nicht wegfallen. Die Sitzung muss also in ihrem inhaltlichen Teil einige Minuten vor dem vereinbarten Ende zum Abschluss gebracht werden.

Die Wirkung des Bibelteilens wird spürbarer, wenn Sitzungen regelmäßig so begonnen werden, sich also eine Vertrautheit mit der Vorgehensweise einstellt. Erfahrungsgemäß trauen sich dann auch mehr Personen als zu Anfang, sich zu beteiligen und sogar zum Abschluss frei zu beten. Als Ritual fördert Bibelteilen das Vertrauen untereinander und eine Atmosphäre der Freiheit, des gegenseitigen Wohlwollens und der geteilten Verantwortung. Wählt das Gremium eine fortlaufende biblische Lesung, kann auf die Dauer auch diese Lektüre das gemeinsame Vertrauen in die Führung Gottes stärken und dahin helfen, die gemeinsamen Erfahrungen im Licht der Heilsgeschichte zu verstehen.

Bibelteilen kann auch als Vorgehensweise genutzt werden, wenn pastoralplanerisch-strategische Themen besprochen werden. Dann kann etwas mehr Zeit für die ersten Schritte eingesetzt werden, beziehungsweise mehrere Etappen der Klärung jeweils wieder mit einem Bibelteilen eingeleitet werden. Die biblischen Texte werden sich dann noch stärker in die Erarbeitung einer neuen Perspektive hineinverweben.

5. Lectio Divina

Während die Tradition die Lectio Divina als Meditationsform auf dem individuellen geistlichen Weg kennt, gibt es neuerdings gute Vorlagen des Katholischen Bibelwerks, wie die Lectio Divina auch in Gemeinschaft vollzogen werden kann. Ähnlich wie beim Bibelteilen steht die gemeinschaftliche Begegnung mit dem Wort Gottes auch bei dieser Form im Mittelpunkt. Ein wichtiger Unterschied gegenüber den Bibelteilen ist allerdings, dass der erste Schritt in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Bibeltext selbst besteht, nicht nur im meditativen Wiederholen einzelner Worte. Das „Echolesen“ wird hier in der vorbereitenden Phase der Sammlung praktiziert.  Der eigentliche erste Schritt (Lectio/Lesung) besteht in der intensiven Auseinandersetzung mit dem Text: „Was sagt der Text?“ Die persönliche Besinnung erfolgt erst im zweiten Schritt (Meditatio/ Meditation): „Was sagt der Text mir?“ Es folgt als dritter Schritt eine Phase des Betens: „Was lässt der Text mich sagen?“ Der vierte Schritt (Betrachtung/Contemplatio) besteht dann wieder in einem Loslassen der eigenen Erkenntnisse, Bewegungen und selbst Gebete in Gott hinein, der in Stille erfolgt. Das Bibelwerk stellt Anleitungen zum Ablauf, Gebete und sogar ein Neues Testament  (das AT erscheint 2020) mit Leseschlüsseln für die „Lesung“ und „Meditation“ zur Verfügung.

Die Methode eignet sich nicht so gut für eine Telefonkonferenz. Hier ist eher Bibelteilen zu empfehlen, da es bei der Lectio Divina mehrere Phasen der Stille gibt. In einer Videokonferenz lässt sich die Methode gut anwenden. Die Phase der Sammlung mit einem vorbereitenden Gebet, dem lauten Lesen des Textes, einem Moment der Stille und dem Echolesen kann leicht durchgeführt werden.

Die Phase der Lectio sollte den Teilnehmenden angemessen Zeit lassen, den Text noch einmal für sich wahrzunehmen und eventuell anzustreichen, was ihnen auffällt. In einer Videokonferenz kann dies mit ein paar Minuten Stummschalten verbunden sein. Dann folgt der Austausch darüber. Auch der nächste Schritt der Meditatio und der persönliche Austausch darüber kann so durchgeführt werden. Vor der Phase der Oratio kann der Bibeltext nochmals laut gelesen werden. Dann formuliern die Teilnehmenden dazu still oder hörbar ihre Gebete. Die Phase der Contemplatio kann in einer Videokonferenz ebenfalls durch stilles Beisammenseins mit ausgeschaltetem Ton gehalten werden.

Alternativ – und durchaus reizvoll für eine Konferenz – kann man sich hier darüber austauschen, welchen Vers jede·r Einzelne in den Alltag, in diesem Fall in die Konferenz, mitnimmt. Ein abschließendes Gebet lässt sich ebenfalls gut halten, während von einem Lied angesichts der Toninterferenzen eher abzuraten ist.

6. Bibliolog

Die Sitzung kann auch mit einem 20-30minütigen Bibliolog eröffnet werden. Die Teilnehmenden brauchen dafür keine Vorkenntnisse; die anleitende Person muss Bibliolog·in sein. Die Methode eignet sich zum meditierenden Hineinfinden in die Sitzung und zur lebendigen Auseinandersetzung mit dem Bibeltext. Sie passt besonders gut, wenn es für Gruppen oder Arbeitsprozesse als bereichernd erlebt wird, verschiedene Sichtweisen und Rollen in einem Geschehen wahrzunehmen.

Es ist grundsätzlich möglich, einen Bibliolog auch innerhalb einer Videokonferenz zu halten. Wichtig ist hier bei der digitalen Darstellung auf dem Bildschirm, dass der Bibliologe/die Bibliologin sehen muss, wenn sich jemand meldet. Auch muss sich ein Weg finden, wie eine Person „dran“ ist, da ja die Bibliologin/der Bibliologe nicht zu ihr hintreten kann. Eine Möglichkeit ist es, die Person in der Rolle mit Namen anzusprechen: „Petrus-Clara“ oder „Petrus-Johannes“. Die verschiedenen Plattformen bieten dazu aber auch unterschiedliche Möglichkeiten: oft kann für alle sichtbar auf dem Bildschirm ein Symbol bei einem der Teilnehmenden platziert werden.

7. Gebet der liebenden Aufmerksamkeit

Dieses Gebet kann gut am Ende einer Sitzung stehen und kann dann eine positive Wirkung für die Reflexion und das Weiterarbeiten beim nächsten Mal entfalten. Es folgt dem klassischen Fünfschritt:

1. Gott Dank sagen

2. Um Licht und Beistand bitten, die Stunden der gemeinsamen Arbeit wohlwollend und realistisch zu reflektieren

3. Die Zeit der Sitzung Schritt für Schritt nochmal durchgehen, dabei sowohl den äußeren Ablauf als auch die affektive Ebene – eigene Stimmungen, emotionale Lage und Veränderung der Gruppe – in den Blick nehmen. Dabei auf die Dynamik hinspüren: Wo ging etwas eher in Richtung eines Mehr an Lebendigkeit, Freiheit und Mündigkeit, eines Mehr an Glaube, Hoffnung und Liebe – und wo waren eher Tendenzen in die entgegengesetzte Richtung zu spüren? Daraus Konsequenzen andenken.

4. Um Klärung /Lösung verzwickter oder verfahrener Situationen und bzw. oder Heilung/ Verzeihung für eigenes Fehlverhalten bitten

5. Für die Weiterarbeit Vorsätze fassen und um Gottes Hilfe bitten.

Am Ende steht ein gemeinsames Vaterunser. Das Gebet sollte eingeleitet werden.

Wenn diese Form für die Teilnehmenden neu ist, sollten sie dabei von der anleitenden Person gut geführt werden, auch in der längeren Phase, in der die gemeinsame Arbeitszeit durchgegangen wird. Ist die Gruppe dagegen mit dieser Form bereits vertraut, genügt es, die fünf Punkte nacheinander einzuleiten.

Eine weitere Sitzung der gleichen Gruppe kann dann mit einem Anhörkreis beginnen, der vor allem auf die Schritte 3, 4 und 6 Bezug nimmt.

Das Verfahren eignet sich sowohl für Telefon- als auch für Videokonferenzen. Allerdings sollte in beiden Fällen die Anleitung nicht länger als 5 bis 10 Minuten dauern.

8. Ignatianische Schriftbetrachtung

Am Beginn einer Sitzung kann auch eine gemeinsame Ignatianische Schriftbetrachtung stehen. Die Teilnehmenden brauchen dazu keine Vorkenntnisse. Die anleitende Person sollte selbst mit dieser Gebetsform Erfahrung haben.

Wiederum ist darauf zu achten, dass weder die Auswahl des Textes noch die Art und Weise der Anleitung in irgendeiner Weise Einfluss auf die folgende Arbeit des Gremiums nimmt. Beides muss dem Vorbereitungsgebet in der ignatianischen Betrachtung entsprechen, sich auf Gott auszurichten, nichts sonst.

Hat die Gruppe wenig oder keine Erfahrung mit dieser Betrachtungsweise, ist eine ausführlichere Anleitung unverzichtbar; ist dagegen bereits viel Erfahrung vorhanden, sollte sie auf ein Minimum beschränkt werden, weil die Anleitung immer nur unterstützt, während das eigentliche Geschehen sich zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen vollzieht.

Am Ende der gemeinsamen Betrachtung kann eine kurze Runde darüber stehen, in der es nicht direkt um die Erfahrung in der Betrachtung geht (es sei denn, jemand möchte dazu etwas sagen), sondern darum: Wie ist es mir ergangen? Wie bin ich jetzt da? Die Verbindung zwischen betendem Betrachten und der Arbeit ist nur indirekt. Man kann sich das so vorstellen, dass jeder im Gremium gleichsam aus dem Raum des Gebets in den Raum der Arbeit tritt, aber ohne jede Verzweckung doch eine Wirkung auf das Arbeiten gegeben sein wird.

Eine angeleitete ignatianische Bibelbetrachtung kann sehr leicht auch in einer Videokonferenz gehalten werden. Außer der anleitenden Person sollten sich alle stumm schalten, damit es wirklich still ist. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass jede·r bei sich sein und nicht die anderen am Bildschirm betrachten sollte. Wenn jemand sich gestört fühlt, weil andere ihn sehen, ist auch möglich, die Videofunktion auszuschalten; für die anleitende Person ist aber hilfreich, die Gruppe sehen zu können.

Die Anleitung selbst geht wie sonst auch. Das Format ist sogar sehr gut geeignet für eine Videokonferenz, weil es technisch besonders einfach ist, wenn nur einer spricht. Es entsteht auch eine erstaunlich dichte Atmosphäre, die sich davon unterscheidet, wenn man allein meditiert, obwohl es ja „nur“ eine virtuelle Zusammenkunft ist.

Bei einer Telefonkonferenz ist eher schwierig, dass nur einer spricht und die Gegenwart der anderen praktisch nicht mehr wahrzunehmen ist. Deshalb dürfte das Format dafür nicht so gut geeignet sein.

9. „Grundlagenarbeit“ mittels ignatianischer Schriftbetrachtung

Die Arbeit des Gremiums wird hier für eine Phase betend weitergeführt. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Arbeit gerade – entweder grundsätzlich oder in einer bestimmten Fragestellung – ein tieferes „Fundament“ brauchen kann. Die Vorgehensweise ist von der Methode der „Geistlichen Übungen für Gruppen, Gremien und Teams“ inspiriert.

Beispielsweise kann es sein, dass ein Pastoralteam an einer Fusionierung arbeitet. Dann kann es hilfreich sein, dass die Mitarbeiter·innen an Ort A und Ort B noch einmal wertschätzend die Situation vor Ort im Gebet betrachten und sich dann darüber austauschen, bevor die Arbeit an der Fusionierung aufgenommen wird.
Ein anderes Beispiel wäre, dass die Personen in einem Gremium einander in ihrem Glaubensleben besser verstehen möchten und deshalb den geistlichen Austausch über ihre spirituellen Wurzeln suchen. Hier kann sehr gut auch ein entsprechender Bibeltext meditiert werden.

Je nach Situation und Zielsetzung wird bei dieser Vorgehensweise mehr die Wirklichkeit (vgl. Nr. 7) als Offenbarung Gottes oder mehr die Heilige Schrift oder auch beides gleichermaßen betrachtet.. Wichtig ist bei dieser Methode, dass sie gegenüber dem operativen Geschäft eher eine betende Grundlagenarbeit ermöglicht. Für die alltäglichen Aufgaben ist das Format zu lang; geeignete Räume dafür wären Besinnungs- oder Teamtage, oder auch nur ein Nachmittag, der gezielt geplant wird, um eine solche Vertiefung zu suchen.

Die Methode verläuft in einem Dreischritt:

1. 45-60 Minuten stilles Gebet/Betrachtung aller Beteiligten

2. 60 Minuten Austausch in der Kleingruppe mit folgender Struktur: 1. Anhörkreis; 2. Stille; 3. wertschätzende Resonanz auf bisher Gesagtes; 4. Gebet.

3. 30-60  Minuten Zeit im Plenum – beginnend mit einem Anhörkreis. Dann liegt der Fokus des Anhörkreises mehr auf der Bedeutung für die Aufgaben der Gruppe.
Das Plenum ist nur erforderlich, wenn die Gruppe aus mehr als 7 Personen besteht (sonst gilt: Kleingruppe = Großgruppe und ein Schritt entfällt).

Je nachdem benötigt man 2-3 Stunden. Die persönliche Gebetszeit sollte mittels eines am Exerzitienbuch des Ignatius orientierten Gebetsblattes (Biblischer Text, Schauplatz, Bitte um Gnade, Punkte, Kolloquium) angeleitet werden; geschieht dies, ist das Format auch für Personen möglich, die keine größere Erfahrung im ignatianischen Beten haben. Eine externe Begleitung mit Erfahrung in der ignatianischen Spiritualität ist hier sinnvoll.

Eine digitale Durchführung per Video- oder Telefonkonferenz ist grundsätzlich möglich. Dann wird das Gebetsblatt zuvor allen zugeschickt und ein gemeinsamer Beginn für die persönliche Gebetszeit festgelegt. Die digitale Konferenz trifft sich erst zur Kleingruppenphase. Dafür gelten die gleichen Regeln wie oben schon für Anhörkreise anderer Verfahren erläutert. In einem weiteren Schritt kann die Gesamtgruppe digital zusammenkommen.

Exkurs:
Diese Vorgehensweise kann auch für längere geistliche Entwicklungs- und Reifungswege in einer Gruppe eingesetzt werden. Dazu wurde das Format der „Geistlichen Übungen für Gruppen, Gremien und Teams“  (frz.: ESDAC -Exercises Spirituelles pour un Discernement Apostolique en Commun) entwickelt. Es handelt sich, in einem Satz gesagt, um eine Adaption der Ignatianischen Exerzitien auf gemeinschaftliche geistliche Prozesse. Die Anleitung dieser Methode erfordert eine spezifische Ausbildung. Informationen können über Peter Hundertmark abgerufen werden.

Eine digitale Durchführung sollte hier nicht angestrebt werden, weil die zu begleitenden Prozesse sehr umfassend sind, und die Begleitpersonen die Gruppe möglichst intensiv wahrnehmen können sollten.

10. Consult

Ein Consult ist ein Verfahren, um in begrenzter Zeit gemeinsinnig und geistlich gegründet Entscheidungen zu treffen. Es kombiniert die sorgsame Auftragsklärung mit einer einfachen Anwendung der Unterscheidung der Geister in Gemeinschaft. Ein Consult nützt, damit alle Mitglieder eines Gremiums gemeinsam eine Entscheidung erarbeiten, ohne dass dadurch die organisatorischen oder hierarchischen Zuständigkeiten verwischt werden. Erfahrungsgemäß sehen sich alle Beteiligten anschließend an das Ergebnis gebunden und engagieren sich für seine Umsetzung.

Das Verfahren wird idealerweise bei einem Klausurtag kennen gelernt und kann dann in normalen Gremiensitzungen (zwei Stunden) durchgeführt werden. Eine ausführlichere Beschreibung findet sich auf www.geistlich.net unter dem Titel: Beratung durch geistliche Unterscheidung.

Schritt I: Vorklärungen
Ein Consult geht von der Situation aus, dass in dem Gremium eine Person die Hauptverantwortung für ein Thema hat. Manchmal ist es schon der erste Klärungsschritt, herauszufinden, wer für das Thema steht und in wessen Verantwortung die künftige Arbeit liegt. Das Verfahren kann nicht durchgeführt werden, wenn die hauptverantwortliche Person nicht präsent ist.

Eine weitere Vorklärung betrifft den Status der Entscheidung: Trifft das Gremium die Entscheidung? Der oder die Hauptverantwortliche? Liegt das ganze Thema in der Entscheidungshoheit derer, die vor Ort sind, oder müssen Elemente abgeteilt werden, da die Verantwortung an anderen Stellen angesiedelt ist?

Schritt II: Auftragsklärung und alternative Handlungsoptionen
Zunächst wird in gemeinsamer Anstrengung die Frage präzisiert, über die die hauptverantwortliche Person beraten werden möchte beziehungsweise die sie zur Entscheidung stellt.

Dann werden dem Gremium alle nötigen Sachinformationen zur Verfügung gestellt, die es braucht, um eine verantwortete Entscheidung treffen zu können.

Abschließend formuliert die hauptverantwortliche Person – mit Hilfe des Gremiums – mindestens drei wahrscheinlich realisierbare Alternativen, wie das Thema nach der Beratung umgesetzt werden kann. Die weitere Beratung bezieht sich dann auf diese Alternativen.

Schritt III: Hören auf die Heilige Schrift
Nun wird dem Hören auf das Wort Gottes Raum im Beratungsgeschehen gegeben. Je nach Situation kann aus den oben beschriebenen Verfahren ausgewählt werden.

Schritt IV: Betend-nachsinnende Beratung
Es folgen zwei Durchgänge einer betend-nachsinnenden Stille und eines Anhörkreises. Für die Stille sollten wenigstens zehn Minuten, je nach Komplexität der Fragestellung auch mehr, angesetzt werden. Die hauptverantwortliche Person darf sich an dieser Phase nicht verbal beteiligen. Sie hört zu.

Die beiden stillen Zeiten dienen dazu, der Frage nachzugehen, welche der potentiell guten und realisierbaren Alternativen eher mehr dem Kriterium eines Mehr an Leben, Freiheit und Mündigkeit, eines Mehr an Glaube, Hoffnung und Liebe für alle Beteiligten und Betroffenen entspricht, und deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit eher in der Linie des Wirkens des Heiligen Geistes liegen könnte.

Für die zweite Zeit stillen betenden Nachsinnens werden zusätzlich diese Frage mitgegeben: „Wenn ich jetzt die anderen gehört habe, scheint mir…“, „Das Gute für alle in unserer Frage, könnte eher in dieser Richtung erreicht werden…“, „Ganz gleich, wie wir uns entscheiden, sollten wir unbedingt beachten…“.

Beim ersten Anhörkreis gehen die Einschätzungen häufig noch weit auseinander. In der Regel tritt im zweiten Anhörkreis eine Einschätzung der Alternativen deutlich in den Vordergrund und wird von nahezu allen präferiert.

Schritt V: Entscheiden
Nun kommt der/die Verantwortliche zu Wort, formuliert das Beratungsergebnis noch einmal in eigenen Worten und verhält sich dazu. Auf diese Weise stellt er/sie die Entscheidung fest und  setzt sie dann auch in Kraft.

Das Verfahren kann auch in digitalen Konferenzen durchgeführt werden. In der Regel wird man dafür die Vorklärungen und die Auftragsklärung in einem ersten Treffen besprechen, das Hören auf die Heilige Schrift, die betend-nachsinnende Beratung und die Entscheidung aber in einer zweiten digitalen Konferenz angehen. Der erste Teil kann gut auch als Telefonkonferenz durchgeführt werden. Für den zweiten Teil eignet sich eine Videokonferenz mehr. Zwischen den beiden Treffen sollten alle Teilnehmenden schriftlich die Vorklärungen, die präzise Fragestellung und die erarbeiteten Alternativen zugeschickt bekommen.

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