In der ökologischen Krise des Anthopozän genügt es nicht, ein neues „Wie?“ für das Verhalten zu fordern. „Wer?“ und „Wozu?“ – Akteure und Ziele – müssen bedacht werden. Christen steuern für die Bewältigung der globalen Herausforderungen eine eigene „Wer?“-Besinnung bei.
Wer ist Gott?
Text: Peter Hundertmark – Photo: balouriarajesh/pixabay.com
Gott ist mit sich einig. Für uns Menschen jedoch ist er vielgestaltig. Sein Eigenname ist für uns Geheimnis. Genannt wird er deshalb mit immer wechselnden Namen. Namen, die viel über die Situation sagen, aus der heraus sie gefunden werden. Namen, die wieder eine weitere Seite an Gott erschließen. Und ihn doch nicht fassen.
Die Heilige Schrift und die heiligen Schriften lassen sich als Archiv der Namen lesen, mit den Gott sich schon finden ließ. In Kriegsgefahr nannten sie ihn „Herr, der Heerscharen“. In Trauer „Tröster Geist“. Angerührt von der Schönheit der Natur nannten sie ihn „Schöpfer“. Als er die Not seines Volkes sah und die Hoffnungslosigkeit der Armen, nannte ihn Jesus „Vater“. In der Auseinandersetzung mit der brutalen Gewalt des römischen Kaiserreiches nannten die Christ/innen ihn „Kyrios – Herr“ und schnitten so dem Kaiser-Kyrios die Ehre ab. Die Mystikerinnen des Mittelalters nannten ihn „Geliebter“.
Wie nennen wir ihn heute? „Freund der Menschen“? So ist er für uns. Jeder Name, den wir finden, muss von dieser Freundschaft Gottes zu allen Menschen sprechen. Aber genügt das für das neue Erdzeitalter, für dieses Anthopozän, in dem der Menschen zum alles entscheidenden Faktor geworden ist? Wie nennen wir Gott in der Krise der globalen Ökosysteme? Wie nennen wir ihn, angesichts dessen, was wir Menschen im „gemeinsamen Haus Erde“ (so umschreibt Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato si“ den griechischen Begriff „oikos“ der hinter Ökologie, Ökonomie und Ökumene steht) anrichten?
Jesus erzählt die Gleichnisse vom Hausherrn und vom Grundbesitzer. Er erzählt sie, um die Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen seines Volkes in Worte zu fassen. Er erzählt sie, um von der kommenden Gerechtigkeit zu sprechen. Er gibt uns damit aber auch einen Namen in die Hand, den wir jetzt nutzen können. „Hausherr des gemeinsamen Haus Erde“. Klingt zugegebenermaßen noch etwas sperrig.
Für uns Menschen der drohenden ökologischen Katastrophe spricht dieser Name viel von Verantwortung: von der Verantwortung des Hausherrn Gott für sein Haus die Schöpfung und von der Verantwortung, die er seinen Mitarbeiter/innen überträgt. Wie schon damals, als Jesus den Vergleich benutzt, schwingt ein großer Ernst mit. Durchaus möglich, dass die Menschheit ihrer Verantwortung als Mitarbeiterin des „Hausherrn des gemeinsamen Haus Erde“ nicht gerecht wird. Und was wird er tun, wenn er kommt?
Gott aber ist für uns der „Freund der Menschen“. So müssen wir den ersten Namen ausbalancieren, damit er nicht zur Drohung wird. Damit er uns anstachelt zum Guten und nicht handlungsunfähig macht in lähmender Angst.
Die heilige Hildegard von Bingen, sehr dem Garten, der Heilkraft der Natur und den Wundern der Schöpfung verbunden, prägte das Wort von der „Grünkraft Gottes“. „Grünkraft“ – da schwingt Energie, Leben, Wachstum und Erneuerung mit. Gott für uns „Hausherr des gemeinsamen Haus Erde“ und „Grünkraft der Erneuerung“ und darin mit sich einig?
Gott in Dreigestaltigkeit zu nennen, hat sich bewährt und ist zum Markenzeichen der Christen geworden. Fehlt jedoch noch der Aspekt des Wohlwollens für die Menschen, der Hilfe in der Überforderung, der Rettung. Von Hoffnung über alle Hoffnung und von Auferweckung spricht die Heilige Schrift. Wie nennen wir ihn, so dass das Wohlwollen im Bild Gottes Kraft hat, ohne doch die Verantwortung der Menschen zu schmälern?
In unserer Kultur verbindet sich die gesuchte Dimension mit dem Wort „Mutter“: die Mutter, die liebevoll ihre Kinder sieht, sie fördert und immer wieder herausfordert und so Schritt für Schritt zur Reife erwachsenen Menschseins begleitet. Nähe ist in diesem Wort und das Ringen zwischen Sorgen und Freigeben. Die lauretanische Litanei hat für Maria viele poetische Namen gefunden. Einen davon können wir jetzt auch für Gott nutzen: „Mutter vom guten Rat“. Mütterlich guten Rat brauchen wir dringend, wollen wir die Bedrohung des Oikos und seiner ökologischen Systeme noch abwenden.
Wollen wir Gott also „Hausherr des gemeinsamen Haus Erde“, „Grünkraft der Erneuerung“ und „Mutter vom guten Rat“ nennen? Und wie sprechen diese Namen Gottes zu uns, wenn wir an die beiden anderen großen „Oikos“-Herausforderungen denken: gerechte Ökonomie und die Menschheitsfamilie umgreifende Ökumene?