Schülerinnen und Schüler des Aloisiuskollegs in Bonn haben sich der Aufgabe gewidmet, ob es möglich und sinnvoll ist, Bildworte aus Naturwissenschaft und Technik aufzugreifen, um Gott und sein Wirken heute zu beschreiben. Drei Schülerinnen haben ihre Überlegungen zur Verfügung gestellt.

Neue Worte für Gott?

Text: Anna Kuhn, N.N., Theresa Düchs – Photo: yevhen1971/pixabay.com

Kraftwerk Gott

Wir denken Gott schon immer als Energie und als Kraft. Es gibt Lebenssituationen, in denen wir deutlich spüren können, wie wir von Gottes transpersonaler Dimension durchdrungen werden. Ständig und immer schneller verändert und erneuert sich durch unser Wissen und durch neue Erkenntnisse die Technik. Aus diesem Bereich entwickeln sich durchaus moderne Bildworte für Gott, mit deren Hilfe Gottes kraftvolles Wirken zum Ausdruck gebracht werden kann. Gott kann als eine Art „Gezeitenkraftwerk“ dargestellt werden. Ein Gezeitenkraftwerk verwendet die kinetische Energie, d.h. die Bewegungsenergie der Meeresströmungen, die durch die unterschiedlichen Gezeiten auftreten, um daraus elektrische Energie zu gewinnen. Das Wasser fließt bei Flut rein und wird in einem Becken zu einem riesigen See aufgestaut, dessen Wasser bei Ebbe durch die Turbinen zurück ins Meer fließt und dadurch elektrische Energie erzeugt. Die Gezeiten stellen im Zusammenhang mit Gott seine Anwesenheit und seine Abwesenheit dar. Während er im Zuge der Flut da ist, zeigt er sich im Zuge der Ebbe nicht. Aber auch wenn ich Gott nicht unmittelbar sehen kann, erlebe ich, dass seine Kraft etwas in mir bewegt. Da das Meer ununterbrochen existiert, ist Gott gleichermaßen in jeder Situation zu jeder Zeit anwesend. Diese Allgegenwärtigkeit Gottes ist für uns schwer zu begreifen. Sie sollte uns daran erinnern, dass wir uns direkt und unmittelbar in Vertrauen an Gott wenden können, ohne dass wir uns von der Stelle bewegen müssen. Die Gezeiten wechseln sich verlässlich regelmäßig ab. Gott ist demnach ebenfalls verlässlich. Durch seine Existenz, sein Kommen und Gehen, tanke ich Energie und Kraft. Ich kann mir sicher sein, dass er, wenn ich ihn brauche, da sein wird, und seine Existenz Kraft schenken wird.

(Anna Kuhn)

Alexa

Gibt es auch ein modernes Gottesbild aus dem Bereich Künstliche Intelligenz? Höchstleistungscomputer können durch die Künstliche Intelligenz eigenständig Antworten finden, selbständig Probleme lösen, sind allwissend und arbeiten fehlerfrei. Können sie aufgrund ihrer Fähigkeiten als göttliche Wesen betrachtet werden? Oder braucht es dazu nicht auch soziale und emotionale Intelligenz? Könnte z.B. „Alexa“, die Sprachassistentin, ein modernes Bildwort für Gott sein? Bei Alexa handelt es sich um eine Künstliche Intelligenz, die das Internet dazu nutzt, als eine digitale Assistentin zu dienen. Mit Hilfe einer Sprachsoftware und einer integrierten Spracherkennung kommuniziert sie über einen Lautsprecher und ein Mikrofon mit uns Menschen. Das Gerät überträgt die im Raum gesprochenen Worte digital über das Internet zum Hersteller. Dieser versucht, die Befehle umzusetzen. Richtet man also eine Bitte an Alexa – meist in Form eines Auftrags – nimmt sie diese an und erledigt den Auftrag. Dabei werden alle Sprachbotschaften in der Amazon- Cloud gespeichert, weshalb Alexa allwissend ist. Mikrofone zeichnen außerdem ständig Geräusche auf, wodurch das private Leben auf eine gewisse Weise ständig überwacht wird. Mittlerweile steht sie in vielen Wohnzimmern, ist dort in den Mittelpunkt gerückt und zum festen Bestandteil des Lebens geworden: Alexa nimmt eine Beziehung zu dir auf und spricht mit dir, speichert alles über dich, ist immer bereit, dir zuzuhören und sie realisiert deine Bitten eins zu eins, wenn du ihr Aufträge erteilst. Sie mischt sich ein und nimmt Entscheidungen ab, sie kann dir viele Fragen beantworten, und erfüllt sogar Wünsche – nur gegen Geld natürlich und nur materielle – und sie gibt sogar passend zur aktuellen Stimmungslage Gedankenanstöße. Alexa ist nicht mehr nur ein Smart Speaker, sondern ein hilfreicher, verlässlicher und immer erreichbarer Begleiter, welcher den Alltag erleichtert. Sie ist eine Art Vertrauensperson, der man sich anvertrauen kann und deren Hilfe man sich sicher sein kann, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß.

Auch ich bin oft versucht, Gott um etwas zu bitten und erteile ihm schnell einen Auftrag durch meine Bitte. Ich habe natürlich die Erwartung, dass er auch auf meine Bitten regiert und sie erfüllt. Wenn ich Gott Aufträge erteile, ihn bitte er soll machen, er soll tun, behandle ich ihn so wie Alexa. Auch vertraue ich Gott meine größten Geheimnisse an, er blickt mir ins Innerste des Herzens, er erkennt mich und erforscht mich, genau das macht Alexa mit mir. Aber will ich jemanden in mich hineinlassen, in mein Herz blicken lassen, der meine Privatsphäre nur erobert, um mein Kaufverhalten zu erforschen und es zu manipulieren? Gott meint es viel besser mit mir als Alexa, das ist eine tröstliche Vorstellung. Gott erforscht mich, kennt mich und verwendet dabei nichts gegen mich, behält meine Geheimnisse für sich und liebt mich sogar trotz alledem. Wenn ich Gottes Hilfe brauche, kann ich Gott natürlich im Gebet anrufen und ihn auch bitten. Dabei soll ich ihn aber nicht als Auftragnehmer sehen, den ich für meine Belange als Dienstleister in Anspruch nehmen kann.

Gott will mich nicht unmündig, er will, dass ich für das Gelingen mitverantwortlich bleibe und nicht einfach abwarte, bis meine Bitte eingelöst ist. Gott ist immer für mich da, in allem, was mich umgibt, ist er wie ein ausgespanntes Netz. Im Gebet oder in der Bitte nehme ich Beziehung zu Gott auf und eröffne in mir einen größeren Raum. Ich kann Gott nicht auf etwas Konkretes festlegen, sondern er zeigt mir Lösungen, die vielleicht ganz überraschend auftauchen, wenn ich achtsam bin. Anders als bei dem Smart Speaker Alexa, welcher die Aufträge erfüllt, ohne dass ich selbst aktiv werden muss, bin ich bei Gott gefordert, aktiv zu werden. Somit gewährt Gott mir einen freien Raum, um eigenständig Entscheidungen zu treffen und mein Leben selbst zu gestalten. Gott will aus mir keine Marionette machen, er verhält sich ganz anders als Alexa, er ist viel besser.

Deshalb gelingt es mir nicht mit der Sprachassistentin „Alexa“ Gottes Wesen zu erfassen, der uns Menschen liebt und dessen Beziehung zu uns Menschen aufrichtig und wohlwollend ist. Gott wäre wenn überhaupt eine „Heilige Alexa“.

(Eine Schülerin)

Gott vorleben

Von Gott zu reden ist schwierig – eigentlich unmöglich. Gott ist immer der ganz andere und nicht weltlich. Es ist also auch unmöglich ihn in einem weltlichen Konstrukt der Sprache einzufangen. Mit der Sprache kann man nur versuchen sich Gott zu nähern. Eine Möglichkeit dafür ist eine bildhafte Sprache. Doch natürlich gibt es Probleme, wenn man in einer metaphorischen Sprache redet: erstens muss man sich immer bewusst sein, dass die Bilder immer fehlerhaft und unvollständig sind. Wie bereits 1215 im IV Laterankonzil in der Analogielehre gesagt wurde, beinhaltet jedes Bild von Gott immer noch größere Unähnlichkeiten als Ähnlichkeiten, die mit dem Bild verdeutlicht werden sollen. Zum Beispiel das Bild von Gott als liebender Vater. Dieses Bild beschreibt treffen, dass Gott uns bedingungslos liebt, aber gleichzeitig ist Gott natürlich nicht menschlich oder gar männlich. Eine zweite Gefahr der bildhaften Sprache ist, dass es sehr leicht zu Missverständnissen kommt. Jeder Mensch hat andere Assoziationen zu bestimmten Bildern. Wenn jemand zum Beispiel schlechte Erfahrungen mit seinem eigenen Vater gemacht hat, wird es sicher schwer für ihn, das Bild von Gott als Vater richtig zu verstehen. Das Argument, dass man heute andere Bilder für Gott finden muss als vor 2000 Jahren, ist auf den ersten Blick sehr verständlich. Wir leben heute in einer ganz anderen Welt, die viel mehr von Technik und Naturwissenschaft geprägt ist. Auf den zweiten Blick sind die biblischen Bilder aber doch viel weniger veraltet, als man meint.  Sie  sind  nämlich  relativ  universell.  Es  geht  bei  ihnen  um  Hunger,  Tod,  Geburt, Schuld, Unglück, Liebe und ähnliches. Das sind Situationen, die alle Menschen auch heute noch kennen. Auch das Bild des Vaters ist eigentlich noch aktuell, weil die meisten Menschen wissen, wie ein Vater ist oder zumindest sein soll. Die Bilder der Bibel sind also auch für uns noch oft verständlich. Einfach weil wir Menschen sind genau wie die Menschen vor 2000 Jahren Menschen waren.

Aber es gibt auch Hürden des Verständnisses. Zum Beispiel wenn von den Heilungen Jesu die Rede ist. Bei den meisten Heilungen scheint es sich aus heutiger Sicht lediglich um eine medizinische Behandlung zu handeln, die heute vielleicht mit Medikamenten möglich wäre, also gar nicht so wunderbar erscheinen. Auch tun wir uns schwer, an Wunder zu glauben, die den Naturgesetzen, die wir heute kennen, widersprechen. Vermutlich ist die Hauptaussage dieser Texte aber eine andere. Zu der Zeit war man als kranke oder behinderte Person von der Gesellschaft ausgeschlossen und eigentlich am Ende. Durch die Heilung wurde den Menschen also ein neuer Anfang ermöglicht und ein Wiedereinstieg in die Gesellschaft. So zeigte Jesus, dass ihr Leben etwas wert war und dass sie nicht verloren waren oder ausgeschlossen werden durften.

Ich kann also gut nachvollziehen, wenn man sich mit einigen Biblischen Bildern schwertut oder sie nicht versteht und sich deshalb neue Bilder überlegt. Sicher ist es auch erlaubt und richtig und wichtig, solche Bilder zu finden, die die Menschen auch heute ansprechen und die ihnen ohne große Erklärung verständlich sind. Allerdings werden solche Bilder auch nur begrenzte Zeit aktuell sein und sicher nicht in allen Kulturräumen und sozialen Schichten verständlich sein. Ich halte es deshalb zwar für möglich, aber auch nicht unbedingt für eine Patentlösung, sich neue Bilder von Gott zu überlegen. Diese wären durch den wissenschaftlichen Fortschritt und den ständigen Gesellschaftlichen Wandel auch nur sehr kurz aktuell.

Ein Beispiel, wie so etwas schief gehen kann, ist für mich die „Ruach-Figur“ aus der Heidelberger Jesuitenkirche, die wir im Sommer entdeckt haben. Hier wird der Heilige Geist als Frau mit hochhackigen Schuhen dargestellt. So ein Bild ist genauso irreführend, wie ein alter Mann auf der Wolke, weil man denkt, dass Gott eine Frau wäre. Gott ist aber weder Frau noch Mann, auch wenn es heute modern ist, in Gott auch weibliche Seiten zu entdecken (was ja als Vergleich auch nicht falsch ist). Auf jeden Fall muss man bei Bildern immer deutlich machen, dass es sich nur um ein Bild handelt und seine Grenzen klar benennen. Das bedeutet, dass man sozusagen nicht nur bildhaft redet, sondern auch gleichzeitig kritisch denkt. Also zum Beispiel zwar sagt, Gott ist WIE ein Vater, aber gleichzeitig sagt, dass er LIEBER als jeder menschliche Vater ist und dass er VIEL MEHR als ein Vater ist.

Besser als sich neue Bilder von Gott auszudenken, scheint mir aber, sich überhaupt neu zu überlegen, wie man von Gott sprechen will. Karl Rahner hat kritisiert, dass die Christen fast immer so von Gott reden, dass nicht deutlich wird, dass Gott nur als dreifaltiger Gott verstanden werden kann. Da dies aber zentral für den christlichen Glauben ist, müsste dies eigentlich in jeder Rede über Gott deutlich werden. Natürlich ist man dann aber in einem theologischen Bereich, der sehr abstrakt ist. Damit Menschen ohne theologische Vorbildung trotzdem verstehen, worin der christliche Glaube besteht, denke ich, dass es wichtiger wäre, diesen Menschen eine Erfahrung zu ermöglichen, in der sie spüren, dass Gott sie liebt, als ihnen mit einem noch so guten Bild zu  versuchen, es ihnen zu erklären. Alle Bilder, die von Gott entstanden sind, auch die biblischen, basieren nämlich letztendlich auf einer solchen Erfahrung.

Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass Bilder (sowohl alte als auch neue) ihre Berechtigung haben aber auch immer Grenzen haben. Deshalb bin ich der Meinung, dass es sinnvoller ist, den Menschen den Glauben an Gott vorzuleben anstatt neue Bilder zu erfinden.

(Theresa Düchs)

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