Auferstehung ist das am wenigsten vergangene Ereignis des Neuen Testamentes. Die Erzählung über Maria von Magdala am Grab bebildert exemplarisch die christliche Erfahrung mit dem Auferstandenen: gestern, heute und morgen. Trauern, vermissen, suchen, nicht erkennen, genannt werden, sehen, nicht halten

Von Jesus angesprochen

Text: Martina Patenge – Photo:tpsdave/pixabay.com

Halleluja! Jesus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

So klingt Ostern. Wie hell  ist dieser frohe Ruf. Wie froh und mutig und voller Hoffnung – und wie groß der Kontrast: Erst war Karfreitag, war Karsamstag, waren die dunklen Stunden vom Sterben und Tod Jesu. Kirchlich gesehen eine stille Zeit – Grabesruhe. Und dann: Osterfeuer, Kerzen, leuchtende Bibelworte, strahlende Gesichter: Halleluja, Jesus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden.

Der Karfreitag war nicht das Ende. Jesus bleibt nicht im Grab. Das Leid von Jesus läuft auf Ostern zu. Aber –  überspringen können wir die dunklen Tage und Stunden nicht. Ostern gibt es nur, weil es zuvor den Karfreitag gibt. Der Karfreitag nimmt uns hautnah mit: in das Entsetzen und den Schrecken, die Not von Jesus, seinen schweren Tod. Danach ist es nur noch dunkel und still – Grabesruhe. Schwärzestes Schwarz und dunkelstes Nichts. Da steht auch die Zeit still.

Viele Menschen kennen das: Nach dem Tod eines lieben Menschen oder einer anderen großen Erschütterung – da fühlt es sich so an, als stehe die Zeit still. Dann ist da erst einmal nur Dunkel und Schweigen. Das kann sich schier endlos anfühlen.

Und deshalb beginnt das Evangelium der katholischen Oster-Gottesdienste nicht mit Freude und Licht. Es beginnt mit dem Schrecken einer Frau – im Dunkeln.

Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. (Joh 20,1f)

Ausgerechnet eine Frau! Eine Frau findet als Erste das leere Grab von Jesus. Die traut sich was. Geht zur Unzeit los. Es ist doch dunkel! Welche Frau geht frühmorgens raus, und auch noch alleine zu den Gräbern? Das ist verrückt, das tut keine vernünftige Frau. Diese, Maria von Magdala, tut es. Sie kann nicht anders. Sie ist eine Jüngerin von Jesus. Unruhe hat sie gepackt, Schmerz; sie will bei ihm sein, wenigstens an seinem Grab.

Entsetzt hat sie miterlebt, wie er hingerichtet wurde. Verstehen, nein, verstehen kann sie das alles nicht. Jesus war doch die große Hoffnung. Ach, wie sehr haben die Freundinnen und Freunde, und mit ihnen so viele Zuhörende daran geglaubt: er ist es, der ihre Lebenssituation verändert. Das hat er ja auch getan. Er hatte Trost in der Stimme. Er war so anders, zugewandt, offen, und er strahlte eine Kraft aus, die anziehend war. Wenn er von Gott redete, spürte man den Himmel. Und nun – alles aus! Ja, es gab auch welche, die sich über Jesus geärgert haben. Die immer einen Grund gesucht haben, ihm einen Fehler nachzuweisen. Sie haben ihn zu Fall gebracht.

Maria von Magdala ist verstört, aber gleichzeitig mutig. Trotz Trauer und Schock will sie zu Jesus ans Grab. Dort will sie weinen und trauern um einen großartigen Lehrer und Freund. Das ist vielleicht das Einzige, was sie jetzt sinnvoll tun kann.

Prompt erlebt sie den nächsten Schrecken. Nicht nur, dass Jesus tot ist – nun ist auch noch der schwere Stein weg, der die Grabhöhle verschlossen hatte. Das Grab ist offen. Der Leichnam von Jesus ist nicht mehr da.

„Maria stand draußen vor dem Grab und weinte“. Sie hat das Grab von Jesus leer vorgefunden. Zwei Jünger haben dies soeben bestätigt. Ihr würde ja keiner glauben. Sie ist ja nur eine Frau. Jesus aber wählt sich diese Frau als erste Zeugin der Auferstehung.

Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein.Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen. (Joh 20, 11-15)

 Mit einem Missverständnis beginnt der Ostermorgen. Maria von Magdala verwechselt Jesus mit dem Gärtner. Sie erkennt ihn nicht mehr – nicht an der Stimme, nicht am Aussehen, nicht an seinen Bewegungen. Dieses „Nicht-erkennen“ ist eine wichtige Spur: Jesus ist nicht einfach wieder „der Alte“. Er ist verändert. Mit dem ganz normalen Blick auf das Alltägliche und Vertraute ist der Auferstandene nicht zu erkennen. Auf diese Veränderung ist die Frau am Grab nicht vorbereitet. Zwar hat Jesus vor seinem Tod mehrfach davon gesprochen, was mit ihm geschehen würde. Er werde sterben und nach drei Tagen wieder auferstehen. Aber wie – wie denn sollte ein Mensch das verstehen? Da ging es den Jüngern nicht anders als den meisten Gläubigen bis heute: Auferstehen – das widerspricht jeder Alltagserfahrung. Tot ist tot.

Und die Frage heißt seit je: Was bedeutet das, er wurde auferweckt, er ist auferstanden?

Der Evangelist Johannes möchte helfen, tiefer in diese Geheimnisse hineinzuspüren. So wie er die erste Begegnung zwischen Jesus und Maria Magdalena in seiner Erzählung aufbaut, legt er eine Spur des Verstehens. Denn interessant ist, wie Jesus seine frühere Jüngerin anspricht. Als er die weinende Frau da stehen sieht, fragt er sie: „Warum weinst Du?“  An einem Grab ist das wirklich eine seltsame Frage. Was soll sie denn sonst tun?

Diese Frage nach dem Weinen hat eine besondere Funktion. Sie zeigt: So geht Jesus mit den Menschen um, auch jetzt. Er lässt sich anrühren. Er fühlt mit. So war er immer! Als er noch lebte, hat er sich gekümmert, hat geheilt, getröstet und geholfen. Und das wird so bleiben, auch in der neuen Lebensweise  – es ist ihm auch jetzt nicht egal, wenn jemand weint. Auch der auferstandene Jesus wird trösten, heilen und helfen. Er ist auferstanden, um weiterhin für die Menschen dazusein. Auch wenn sie ihn – wie Maria von Magdala – vielleicht erst einmal gar nicht erkennen.

Und dann lüftet Jesus das Geheimnis. Er…sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.  (Joh 20,16)

Maria von Magdala hört ihren Namen. So erfahren es Menschen auch heute: Ich bin persönlich angesprochen. Er kennt meinen Namen. Jetzt geht Maria von Magdala ein Licht auf. Sie wendet sich ihm zu – und da geht ihr auch das Herz auf und sie erkennt den, der mit ihr spricht. Um Jesus zu erkennen, muss sie „sich ihm zuwenden“. Darauf kommt es an. Der Auferstandene ist mit den Augen des Herzens zu erkennen.  Und wenn man sich ihm zuwendet. Maria von Magdala tut das, und erkennt ihren Meister und Freund. Was für eine Freude! Was für ein Glück! Er ist es! Sie ist die erste, die Ostern erleben darf!

Und seither begegnet der Auferstandene den Menschen. Denn Ostern war nicht nur damals, sondern ereignet sich ständig. Auch heute kann ich dem Auferstandenen begegnen. Vielleicht merke ich es oft gar nicht richtig? Denn er begegnet mir ganz alltäglich  in jedem Menschen, mit dem ich zu tun habe. In jedem Menschen, zu dem ich mich hinwende. Mit den Worten von Mutter Teresa von Kalkutta: „ steht es in unserer Macht, schon jetzt und hier bei ihm im Himmel zu sein, in jedem Augenblick sein Glück zu teilen. … zu lieben, wie er liebt; zu helfen, wie er hilft; zu geben, wie er gibt; zu dienen, wie er dient; zu retten, wie er rettet – vierundzwanzig Stunden mit ihm zu sein und ihn in seiner elendesten Verkleidung zu berühren.“

Oder beim Lesen in der Bibel – wenn Worte, Bilder, Erlebnisse plötzlich das Herz anrühren und mich bewegen, verändern, berühren, umtreiben, wenn Einsichten auftauchen, wenn Wege sichtbar werden, oder Trost sich ausbreitet und innerer Frieden. Jedes biblische Wort ist mehr als nur ein aufbauender Text, sehr viel mehr. Gottes Wort hat Kraft. Denn es ist lebendig, der Herr ist darin lebendig.

Und es geht noch tiefer. Noch direkter. Im persönlichen Gebet kann ich ganz nah mit Jesus verbunden sein, ihn hören und erleben. Manchmal stellen sich vielleicht Bilder ein, oder ein Gespräch mit dem Herrn wie mit einem Freund oder einer Freundin. Oder ich spüre, dass er neben mir geht und bei mir ist.

Schließlich in der Kommunion – wenn er seinen Leib und sein Blut gibt. Inniger, körperlicher, greifbarer, erfahrbarer geht es nicht.

All diese Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus kann niemand erzwingen. Und auch nicht festhalten. Nicht umsonst sagt Jesus zu der überglücklichen Maria Magdalena: Halte mich nicht fest. (Joh 20,17).

Halleluja! Jesus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

So klingt Ostern. Wie hell  ist dieser frohe Ruf. Wie froh und mutig und voller Hoffnung – weil unser Herr Jesus Christus heute mit uns lebt.

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